6717007-1964_47_15.jpg
Digital In Arbeit

Von Rossini zu Anzengruber

Werbung
Werbung
Werbung

Wenn Rossinis bezauberndes Frühwerk „Die Italienerin in Algier“ so selten auf unseren Bühnen zu sehen ist, so liegt das n der Hauptsache wohl daran, daß es in unseren Breiten nicht allzu viele Altistinnen gibt, die sich mit den halsbrecherischen Koloraturen der Titelpartie in lieser Oper einzulassen getrauen. Graz nat nun in Hilde Roser eine Sängerin, lie dem Stimmumfang dieser Partie durchaus gewachsen ist, wenngleich ihrem lyrisch timbrierten Mezzo jene Durchschlagskraft, die man an italienischen Altistinnen bewundert, versagt bleibt. Immerhin: Der Grazer Opern- Ereund kam so in den Genuß einer sehr rübschen und reizvollen Wiedergabe des selten gespielten Werkes. Im Grunde ge- rommen ist es ja ein recht harmloses Dperchen mit einem Nichts an Handlung, lie sich da im Harem des Bey von Alge- ien vollzieht. Aber die Musik ist bei liier Naivität vergnüglich und hübsch an- suhören, die Stimmen tänzeln mit ihren Fiorituren fröhlich drauflos und vereinen sich im ersten Finale zum köstlichen Geschnatter einer hochmusikalischen Geflügelfarm, Klaus Gmeitzer (Regie) und Jose Brun (Bühne^ftild) haften die beiden Ąkfė in angenehme, manchmal ein wenig >U kfeperftiäftfe1 Optik übersetzt, während lie graziöse Leichtigkeit der Musik un- er Gustav Cernys Stabführung etwas zu «urz kam. Mittelpunkt der Aufführung war der Mustafa Bey von Günther Adam, ier mit seiner dezenten Komik und sei- lem prächtig geführten Baß auch auf weit größeren Bühnen Staat machen, tonnte.

Die Vorliebe des künftigen Intendanten ind derzeitigen Oberspielleiters Karlheinz Haberland für die Operette zeigte sich ivieder in seiner Inszenierung von Heu- jergers „Opernball“: Hier wurde weder in Maschinen und Prospekten, noch an Seid gespart. Das Ergebnis war eine sehr schwungvolle, turbulente, ja fast schon iberdrehte Aufführung, die die Lebensfähigkeit des guten, alten „Opernballs“ les Grazers Heuberger bestätigte. Aller- iings ging diese Ehrenrettung nicht ohne einschneidende dramaturgische Maßnah- nen vor sich: Einzelne Szenen mußten imgestellt, neue Schauplätze erfunden werden, um den verwöhnten Zuschauer rei Laune zu halten. Daß der „Opern- sall“ zuwenig Musik aufweist, ist eine Fatsache; diesem Manko hat der Dirigent Walter Goldschmidt abgeholfen, indem ;r die etwas spärliche Partitur mit Stelen aus anderen Werken des Komponisten anreicherte. Zusätzliche Balletteinlagen und die Heranziehung von Opern- träften für die tragenden Partien, verhalfen der erstmals gezeigten Bearbeitung schließlich zu einem vollen Publikums- :rfolg.

Schlicht und konventionell, ja beinahe schon fade, sieht der Spielplan des Schauspielhauses aus. Die Moderne — om, Experiment gar nicht zu reden — st vorläufig von der Bühne verbannt. Jas Programm sieht aus, als sei es auf lie Bedürfnisse eines konservativen Deutschunterrichts an Gymnasien abge- stimmt. Neben Schiller, Nestroy und Schnitzler gibt es neuerdings Grillparzer md Anzengruber. Es ist, als wollte man lunmehr auf Nummer Sicher gehen. Grillparzers stark gekürzte „Medea“, in ler Inszenierung Robert Casapiccolas, ebt von der Protagonistin: Marianne 'Copatz sprengt den Rahmen dieser mit mtiker Statik operierenden Aufführung oller Halbheiten; sie ist erschütternd, ergreifend und — modern in bestem Sinn. Wer erwartet hatte, Anzengrubers iramaturgisch schwaches, von Sentimen- alität triefendes Volksstück „Das vierte Gebot“ werde zu Rührseligkeitsexzessen m Gartenlaubestil führen, wurde durch lie Inszenierung Rudolf Kauteks ange- tehm enttäuscht. Kautek und sein Büh- tenbildner Brun eliminierten alles Fade md Süßliche und stellten ein in harten ?arben gehaltenes Sensationsstück auf lie Bühne, in dem die Charaktertypen iieses düsteren Wiener Sittenbildes

schärfste Kontur erhielten. So rückte Anzengruber in die Nähe Horvaths — und das war die große Überraschung dieses wider alle Erwartung bedeutenden Abends.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung