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Zwei Salzburger Karajan-Konzerte

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Im Rahmen der Salzburger Osterfestspiele leitete Karajan je ein Orchester- und ein Chorkonzert. Bei beiden Programmen fungierte das Berliner Philharmonische Orchester als Ausführender. Das erste Konzert war Beethoven gewidmet. Bei der dramatischen „Coriolan”- Ouvertüre sah man Karajan, wie man ihn aus seiner Wiener Zeit kannte: mit großen, ausladenden Bewegungen, die Tutti-Akkorde mit niedersausenden Armen heftig markierend, die Steigerungen mit größter Intensität aufbauend. Für die Pastorale hat er sich mit den Berlinern ein eigenes Vortragskonzert erarbeitet, dessen hervorstechendstes Merkmal das rasch fließende Zeitmaß ist, das in der Siebenten stellenweise noch gesteigert wird — so daß beide Werke — mit höchster Klangkultur und Aku- ratesse musiziert — in einer Rekordzeit absolviert wurden.

Was mir das ‘Bemerkenswerteste bei der Interpretation des Deutschen Requiems von Brahms erschien, War die Allergie des Dirigenten gegen alle jene Stellen, die in die Nähe des Gesangsvereinshaften geraten (Brahms war für diese Note ein wenig anfällig). Das wird restlos weggeräumt. Leider fällt diesem Prinzip auch der volle Chorklang des Singvereins der Gesellschaft der Musikfreunde zum Opfer, den man nur selten in seinem ganzen Volumen vernehmen kann — was zumindest an einigen Stellen schmerzlich ist. Mit kammermusikalischer Feinheit und echt philharmonischem Wohllaut wurde der Orchesterpart musiziert, der durch die (wahrscheinlich) französischen Bläser, besonders die Oboen, einen spezifischen, leicht näselnden Klang erhält. Die Solisten waren Dietrich Fischer-Dieskau und Gundula Janowitz, die etwas ermüdet schien. Uber die Vortragskunst und Stimmkultur von Fischer- Dieskau ist kein Wort zu verlieren. Wohl aber über das Publikum.

Es kam zu den Opernaufführungen und den Konzerten der Osterfestspiele zumindest zu zwei Drittel aus der Bundesrepublik. Es fährt hierher nach Salzburg, um Wagner unter Karajan und Karajan als Konzertdirigenten zu erleben. Da es genau das erhält, dessentwegen es die kürzere oder längere Reise gemacht hat, ist es ein zufriedenes — und daher auch ein gutes Publikum. Ob es das beste ist, das es derzeit gibt? Sicher nicht das kompetenteste und kritischeste. Die Pausengespräche sind da manchmal aufschlußreicher als die Lektüre mancher Rezensionen. Sagt da eine sehr prunkvoll kostümierte Dame in mittleren Jahren zu ihrer Begleiterin: „Eigentlich mag ick die Konzertmusik nich. Is mir einfach zu fade. Bin mehr für die Oper. Aber so’n Karajan-Requiem könnt ick jeden Tag zweimal hören …”

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