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Das Schlo

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Das Studio des Theaters in der Josefstadt bringt das Schauspiel in zwei Akten „D a s Schloß“ von Franz Kafka zur Aufführung und erinnert dadurch daran, daß es überhaupt existiert. (Seit Sartre hatte man von ihm nichts mehr gehört.) Zweifellos ist die Aufführung der Dramatisierung des Romans durch Max Brod ein Experiment; das aber viel von seinem Wagnis verliert, wenn man bedenkt, daß eben dieses Experiment schon vor einem halben Jahr bei den Berliner Festwochen erprobt wurde. Max Brod sah seine Aufgabe darin, zu verdeutlichen und wegzulassen. Nun ist schon jedes Weglassen von sachkundiger Hand an sich eine Verdeutlichung; was darüber ist, ist von Uebel. Hier, in der minutiösen Welt Kafkas, erweist sich die Verdeutlichung als ein Unding. Weggelassen wurden die Dimensionen, verloren ging der Schauer, der einmal Werfel das Bild des „großen Ausgesandten“ zeigte. Uebrigbleibt eine Ahnung dessen, was hätte sein können, kleiner noch als die — im Roman — in einem Nebensatz versteckte Ahnung, daß K. einmal, in einer allerdings sehr fernen Zeit, das Schloß erreichen könnte.

„Das Schloß“ ist, entgegen der Ansicht Max Brods, bei weitem nicht so bühnenwirksam und dramatisch wie „Der Prozeß“. War schon „Der Prozeß“ — vor allem in seiner deutschen Fassung — keineswegs ideal auf die Bühne gebracht, so muß die Dramatisierung des „Schlosses“ vollends enttäuschen. Es ist zu vermuten, daß das ursprünglich geplante Schlußbild (das Stück umfaßt entgegen der Ankündigung nur zehn Bilder) der Inszenierung zum Opfer gefallen ist, so daß das Schauspiel mit der Vision „Voi dem Gesetz“ schließt. Diese Vision, ursprünglich eine selbständige Fabel, später dem Roman „Der Prozeß“ einverleibt, hat mit dem „Schloß“ nichts zu tun; ihre Einfügung erweist sich als ebenso verfehlt wie das Zitieren von Aphorismen, die nicht dem Roman entstammen. Schon das sternentiefe Bühnenbild, das offensichtlich zuviel des Guten geben wollte, ließ von der Aufführung nicht viel Gutes erwarten. Es kam aus einer anderen Welt, der der Symbole, während bei Kafka nichts Symbol, dagegen alles Realisierung des Abstrakten ist. Die ausweglose Atmosphäre des Dorfes sichtbar zu machen, wäre Aufgabe der Inszenierung gewesen. So bleibt als Fazit der tragische Versuch, Kafka mit allen Mitteln in weitere Kreise zu tragen, und ihn dadurch populär zu machen, ein Versuch, der das Mißlingen in sich trägt. Den Schauspielern bleibt für ihre Hingabe zu danken, dem Theater in der Josefstadt dafür, daß es einmal kein Konversationsstück spielte.

Neben dem „Schloß“ muß jede andere Sehenswürdigkeit verblassen. So auch „Die Unbekannte aus der Seine“ von Oedön von H o r v a t h, die in einer Neuinszenierung (Erich Neuberg) im Theater am P a r k r i n g zu sehen ist. Die Komödie lebt auch heute noch von den durch ihre Natürlichkeit fesselnden Dialogen, in denen eine ganze Zeit, eine ganze „Stadt, durch die ein Fluß fließt“ lebendig wird. Die kriminalistische Geschichte dagegen kann das Lächeln der Unbekannten nicht erklären, geschweige denn begründen.

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