Die Inkommensurablen am Wiener Volkstheater: Das Erzählte und das Machen der Erzählung
Die Uraufführung von Raphaela Edelbauers Roman „Die Inkommensurablen“ als ein Inszenierungshybrid von Theater und Graphic Novel am Wiener Volkstheater.
Die Uraufführung von Raphaela Edelbauers Roman „Die Inkommensurablen“ als ein Inszenierungshybrid von Theater und Graphic Novel am Wiener Volkstheater.
Der wohl letzte Theater-Großkritiker Gerhard Stadelmaier von der FAZ sah die Gründe für den Trend, dass immer mehr Romane für die Bühne bearbeitet werden ‒ was er damals, 2010, als „epische Seuche“ beklagte ‒ darin, dass die Stoffe entweder im Bewährten liegen, das man ausbeute, oder im „Bestsellerischen“, an das man sich hänge.
Im Fall des jüngsten Romans der 1990 geborenen Raphaela Edelbauer „Die Inkommensurablen“, der jetzt im Volkstheater in einer Bearbeitung eines Künstlerkollektivs namens sputnic uraufgeführt wurde, dürfte der Grund sowohl im einen wie im anderen liegen. Einerseits schildert der Roman, der es heuer auf die Longlist des Deutschen Buchpreises geschafft hatte, eine schlaflose Nacht in Wien unmittelbar vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs. Damit behandelt er genau jene letzten Tage der untergehenden Donaumonarchie, also die Welt von gestern, die hierzulande nach wie vor ein beliebtes, vielfach anschlussfähiges Sujet in Film und Fernsehen ist und nicht nur durch die Romane von Stefan Zweig auch Dauergast auf den Theaterbühnen.
Zum andern dürfte das zwiespältige mediale Echo, das Edelbauers Roman ausgelöst hat, auch das Interesse für eine Bühnenbearbeitung gesteigert haben, kann auf diese Weise doch auch von den Medieneffekten profitiert werden. Dass die beiden davor verfassten Romane von Edelbauer, „Das flüssige Land“ und „Dave“ ebenfalls den Weg auf die Bühne gefunden haben, sei hier ohne Kommentar, nur der Vollständigkeit halber erwähnt.
Gemeinsam durch die Nacht
Der scheidende Volkstheaterdirektor Kay Voges hat nun seinen Bruder Nils und dessen Künstlerkollektiv sputnic damit beauftragt, die Bühnenfassung und Inszenierung für „Die Inkommensurablen“ zu erarbeiten. Ihre Fassung folgt dabei im Wesentlichen der Chronologie des Romans, fügt ihm durch eine kleine Umstellung der Szenen nur eine Art Rahmenhandlung bei. Wir folgen der Erzählung, in der sich gleich zu Beginn der erst 17-jährige Tiroler Bauernknecht Hans Ranftler (dargestellt von Hardy Emilian Jürgens), der am vorletzten Julitag des Jahres 1914 im vor Kriegseuphorie elektrisierten Wien angekommen ist, mit der Psychoanalytikerin Helene Cheresch (Gerti Drassl) verabredet. Sie soll ihm helfen, seine seltsame Gabe, das zu denken, was andere wenig später aussprechen, zu ergründen.
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