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Salzburger Dilemma

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Die neue Saison des Salzburger Landestheaters begann unter einem guten Stern. Nadi Jahren wechselvoller Krisen war es gelungen, Hanns Schulz-Dornburg für die Leitung des Theaters zu verpflichten. Er konnte auf eine erfolgreiche Regietätigkeit unter Klemperer an der Berliner Kroll-Oper sowie auf ein Wirken als Intendant in Coburg, Gern, Dessau, Kiel und Karlsruhe zurückblicken. In Salzburg begann er mit einer auch in auswärtigen Fachkreisen viel beachteten, zu einem Serienerfolg gewordenen Neuinszenierung der .Fledermaus“.

Als musikalischen Leiter der Neuinszenierung hatte Schulz-Dornburg den bekannten Pianisten Gilbert Schuchter eingeladen, eiri vielbesprochenes und zunächst viel beargwöhntes Experiment, dessen anerkannter ter Erfolg Schulz-Dornburgs Gabe, Talente aufzuspüren und gegen alle Bedenken durchzusetzen, unter Beweis stellte, wie er es überhaupt in besonderer Weise verstand, mit der Jugend zu gehen und ihre Begabungen zu wecken. Die Arbeit mit seinem jungen Ensemble bewies dies.

Im Schauspiel konnte zunächst eine zu stark gekürzte und damit die dramatische Logik beeinträchtigende „T e 11“-Aufführung nicht befriedigen. Eine, vor allem in den Dialogpointen von Geza Rech geschickt inszenierte Aufführung des frivol-flachen, aber amüsantwitzigen Stückes .Die Kinder Eduards' von Sauvarjon und Jackson gab besonders Ilde Overhoff Gelegenheit, ihr intelligentes und kultiviertes Spiel zu zeigen.

Hervorstechend war die, die spezifische Bahr-Atmosphäre des .Konzerts“ geistvoll repräsentierende Inszenierung Christian Möllers, die an die Josefstadt gemahnte, wenn auch das differenzierte Spiel der kaum merklichen Übergänge und Zwischentöne, die gerade die Lustspiele Bahrs charakterisieren, vom Ensemble nicht voll realisiert werden konnte.

Die schönen weiteren Pläne — die Aufführung des Mellschen „Nachfolge-Chrlsti'-Spiels im Lindenhof der Hohensalzburg, die Neuinszenierungen beziehungsweise Erstaufführungen des .Barbiers von Sevilla“, Orffs „Die Kluge“ und ClaudelHoneggers .Jeanne d'Arc“, die. trotz der offiziellen Auflassung der Oper durch kluge Engagements vorbereitet waren — können durch den überrasdien-den und plötzlichen Tod Schulz-Dornburgs im Oktober, unter der provisorischen Leitung R. Leisners, der um ein vielseitiges Programm bemüht ist, nur mehr teilweise verwirklicht werden.

Mit Schulz-Dornburg ist eine jener seltenen Theaterpersönlichkeiten dahingegangen, die den gesamten Apparat de Theaters mit einer eigentümlichen Faszination beseelen, aber im Zeitalter des Spezialistentums auszusterben scheinen.

In dieser Lage stellt sich für Salzburg erneut die Frage nach einer prinzipiell zu klärenden kulturpolitischen Linie. Gewiß sind Stadt und Land in ihren materiellen Möglichkeiten, In der Tragfähigkeit des Publikums unter anderem beengt. Zweifellos ließe sich aber etwa eine Musikhochschule, die von Rang sein will, auf die Dauer nicht halten, wenn das Theater auf das Niveau eines Amüsierbetriebes absinken müßte, wobei auf die Verflechtung mit dem Musikleben hier gar nicht hingewiesen werden soll. Es erweist sich die Notwendigkeit, alles zu unternehmen, um bei den weiteren Entscheidungen über die Landesbühne die Voraussetzungen für ein künstlerisches Niveau zu garantieren, das ja auch den finanziellen Erfolg wesentlich fundiert. Niemals sollte die Quantität des Gebotenen der geforderten Qualität vorangestellt werden. Vor allem der Begriff Mozarteum läßt die Verpflichtung einer Festspielstadt auch in der winterlichen Stille deutlich werden.

über die eingeleitete Konzertsaison wäre unter anderem zu berichten, daß die Internationale Stiftung Morzarteum und das Mozarteum-Orchester wieder namhafte Dirigenten und Solisten verpflichten konnten. Das ausgesprochene Gastsystem hat jedoch auch hier Nachteile, vor allem in der Programmgestaltung. Diesmal eröffneten die Saison Karl Böhm mit einer beispielhaften Wiedergabe der IV. Bruckners: ihr folgten die Klavierabende Friedrich Wührers (Beethoven), Paul Schil-hawskys (unter anderem Reger-Bach-Variatio-nen und spanische Komponisten) und Gilbert Schuditers (als Erstaufführung brachte das von Bach und Brahms bestimmte Programm die vor allem in ihrem formalen Aufbau geistvollen 14 Preludien cp. 33 von Walter Braim-fels).Bei vorausschauender Planung wäre sicher eine andere Termindisposition, die andere Kammermusikabende dazwischen eingeschaltet hätte, von Vorteil gewesen. Ein Orchesterkonzert unter Dr. Robert Wagner brachte unter anderem als Uraufführung die da-capo gegebene „Musica brevis des jungen, am Landestheater wirkenden Kapellmeisters Gerhard Wimberger.

Auch von der musikalischen Seite her stellt sich jedenfalls das Problem einer universellen Lösung der Salzburger Kulturanliegen, die natürlich nur im Zusammenhang mit der in ihrer ganzen Tragwelte noch viel zu wenig erkannten Bedeutung des Senders, vor allem aber mit dem Komplex der Salzburger Festspiele, deren geistige Linie eine gesonderte, kritisch stellungnehmende Diskussion erfordern würde, gefunden werden kann.

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