Vipassana Meditation - © Foto: iStock/fizkes

Vipassana: „Das ist nichts für Weicheier“

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Vipassana-Retreats erfreuen sich wachsender Beliebtheit. Was bringt Menschen dazu, für zehn Tage komplett aus dem Alltag auszusteigen, um von früh bis spät zu meditieren?

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Vipassana-Retreats erfreuen sich wachsender Beliebtheit. Was bringt Menschen dazu, für zehn Tage komplett aus dem Alltag auszusteigen, um von früh bis spät zu meditieren?

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Der Gong ertönt um vier Uhr in der Früh – und gibt keine Ruhe mehr. Eine halbe Stunde lang hallt er durch die Gänge. Das weckt auch den hartnäckigsten Langschläfer. Schließlich geht es um 4.30 Uhr los. Es gibt zwar nichts zu erledigen, doch das Programm ist fordernd. Man ist gekommen, um von früh bis spät achtsam zu sein: zehn bis zwölf Stunden pro Tag; und das zehn Tage lang. Draußen stehen Schilder, die „Bitte Ruhe“ und „Edle Stille“ verlangen. Drinnen herrscht Schweigen. Die Blicke sind gesenkt, denn auch die non-verbale Kommunikation via Gesten und Zeichen ist nicht erwünscht.

Die Teilnehmer eines Vipassana-Seminars verzichten auf jeden Kontakt zur Außenwelt: Sie haben ihre Smartphones abgegeben, sie sollen weder lesen noch schreiben. Im strikt durchgeplanten Tagesablauf ist für Ablenkung auch gar keine Zeit: Die Meditationseinheiten über ein bis zwei Stunden fügen sich nahtlos aneinander, unterbrochen von der Frühstücks- und Mittagspause. Abendessen gibt es keines mehr, nur eine Teepause. Danach wird weiter meditiert; der Lehrer hält einen Vortrag; eine halbe Stunde bleibt Zeit für Fragen. Um 21.30 wird das Licht ausgemacht. Nachtruhe.

Keine Worte, viel Emotion

„Ein Vipassana-Retreat ist eine Art Kloster auf Zeit“, schreiben Werner Vogd und Dunja Batarilo: „Ein solcher Kurs verlangt von den Teilnehmern ein grundlegend anderes Commitment als ein Achtsamkeitskurs, den man zweimal die Woche besucht, oder als Meditationsübungen am Smartphone. Wer hierherkommt, will es wirklich wissen.“

Der Soziologie-Professor an der Universität Witten/Herdecke und die deutsche Journalistin haben mit ihrem Buch „Mitten ins Leben“ (2022) eine fundierte und zugleich gut lesbare Einführung in diese spezielle Tradition vorgelegt. Sie wurde begründet von S.N. Goenka (1924–2013), einem indischen Geschäftsmann, der in Burma die buddhistische Vipassana-Meditation kennengelernt hatte. Goenka verstand sich als Teil einer Reformbewegung, die eine lange Zeit nur Mönchen und Nonnen vorbehaltene Praxis allen sozialen Schichten zugänglich machen wollte. Er nutzte sein organisatorisches Talent, um die Einsichtsmeditation weltweit zu verbreiten. Die von ihm designten „Zehn-Tages-Kurse“ werden mittlerweile in 108 Ländern angeboten; mehr als 220 entsprechende Meditationszentren gibt es weltweit – Tendenz steigend. In Österreich wird gerade das Zentrum „Dhamma Mudita“ im Mühlviertel gebaut; die ersten Kurse sind für 2025 geplant.

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