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An einen, der Priester werden will

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Lieber junger Freund'.

Du hast mir geschrieben, daß Du Priester werden möchtest, aber noch keine Klarheit hast. Nun möchtest Du von mir wissen, wie Du Dich entscheiden sollst. Diese Entscheidung kann ich Dir nicht abnehmen, die kannst nur Du selber treffen. Ich kann Dir aber mitteilen, was ich in meinen langen Priesterjahren erfahren habe.

Wer Priester ist, bleibt es in Ewigkeit, wie unsere Theologen sagen. Das kann Segen oder Fluch bedeuten, da er auf ewig gezeich­net ist.

Das Besondere am Priesterbe­ruf ist: Er ist glückhaft, er ist schwer, er ist notwendig, und er hat seine Tragik.

Worin liegt das Glückhafte im Priesterberuf?

Menschen aus dem Leid und der Unsicherheit des Lebens her­ausführen zu können durch die Frohe Botschaft Jesu. Diese Bot­schaft kann wahres Glück trotz des Leides bringen. Ferner: Men­schen in den höchsten und tief­sten Stunden des Lebens begleiten zu können. Auch für Dich per­sönlich kann er glückhaft sein, da Du durch das Amt im Zwang zum Guten lebst und dadurch vor man­cher Verirrung geschützt sein kannst. Zu denen, die an Hitlers Greueltaten nicht schuldig gewor­den sind, zählen fast alle Priester.

Worin liegt das Notwendige am Priesterberuf?

Den halbherzig Gläubigen zu helfen, tiefer zu glauben und sie auf das Wesentliche des Lebens auf­merksam zu machen. Dann: Die Priorität des Seelischen vor dem Leiblichen zu betonen. Ihre Ehelo­sigkeit soll dem Irrglauben entge­gentreten, daß der Urgrund des menschlichen Glücks in der Ge­schlechtlichkeit liegen soll.

Worin aber liegt das Schwere in diesem Beruf?

Die ständige Furcht, Gott dereinst zu lau gedient zu haben. Ferner: Tröster sein zu müssen und nicht die richtigen Worte zu finden. Und schließlich: Die Last der Einsam­keit zu tragen, ohne dabei seelisch zugrunde zu gehen.

Schließlich, worin liegt seine Tragik?

Das Heilige verwalten zu müs­sen, ohne selbst heilig zu sein. Und: Die volle Wahrheit verkün­den zu müssen, aber sie nicht hinreichend begründen zu kön­nen, weil es Wahrheiten des Glau­bens sind. Und letztlich: Die Liebe als höchstes Ziel zu empfehlen und sich dabei immer wieder zu ertappen, lieblos gewesen zu sein.

Dies habe ich in vielen Jahren erfahren.

Und nun prüfe Dich.

Aber das größte Geheimnis habe ich Dir noch nicht verraten. Das hat uns der Herr selbst ge­sagt: „Nicht ihr habt mich er­wählt, sondern ich habe euch erwählt!"

Daher muß bei Deinen Überle­gungen immer die Frage mit­schwingen, ob Du auch wohl zu den Erwählten gehörst. Wer sich nimmt, was Gott nicht geben will, wird schwer darunter leiden und schließlich zerbrechen. Nun kannst Du Dich entscheiden! Gehab Dich wohl, mein Freund!

Der Autor ist Pfarrer in Seyring (Nieder­österreich).

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