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Angriff ist die beste Abwehr

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Im Jahre 1929 wurde ich in Na-halal als jüngstes Mitglied in die Geheimorganisation Haganah aufgenommen, die Verteidigungstruppe der Juden Palästinas. Ich war damals erst vierzehn.

Kurz vorher hatten die Araber in Hebron 67 Juden — Männer, Frauen und Kinder — niedergemetzelt (siehe Zeittafel Seite 11). Weitere 60 waren verwundet worden; Synagogen wurden zerstört, und Thorarollen verbrannten.

Die Haganah wollte unter allen Umständen verhindern, daß einsam gelegene jüdische Stadt- und Landgemeinden hilflos und ohne Waffen den arabischen Extremisten ausgeliefert sein sollten.

Jede Gemeinde sollte sich selbst verteidigen können. Jede einzelne sollte Waffen bekommen, und Männer und Frauen sollten im Waffengebrauch ausgebüdet werden. Die Briten aber erklärten Waffenbesitz ohne Waffenschein ebenso wie militärische Ausbildung zum Selbstschutz für illegal. Die Mandatsverwaltung hatte für Ruhe und Ordnung im Lande zu sorgen.

Ihr oblag der Schutz der Bevölkerung, doch Polizei und Militär waren zu schwach, um jede einzelne gefährdete jüdische Gemeinde schützen zu können. Vielleicht mangelte es auch an gutem Willen, denn wenn sie gerufen wurden, kamen sie oft zu spät.

Als wir der Haganah beitraten, wurden wir im Waffengebrauch unterwiesen, wobei ich persönlich aber nicht viel Neues lernte. Wir hatten nämlich schon immer eine Waffe im Haus gehabt. Aber erst jetzt, als stolzes Mitglied einer Geheimorganisation, meinte ich

den Karabiner wirklich gebrauchen zu können.

Ich selbst hatte stets eine positive und freundliche Einstellung unseren arabischen Nachbarn gegenüber. Ihr Lebensstil sagte mir zu; ich schätzte ihren Fleiß und ihre Liebe für das Land und unsere gemeinsame Umwelt. Ich zweifelte nicht im geringsten an der Möglichkeit eines friedlichen Zusammenlebens - sie in ihren Dör-

fern gemäß ihren überlieferten Traditionen, wir in unseren.

Ehemalige Angehörige eines Kosakenregiments erteilten uns Reitunterricht in der besten Tradition der russischen Kavallerie. Wir stürzten uns auf imaginäre Feinde, zückten Stöcke wie Säbel und stießen, wenn wir im Galopp Attacke ritten, blutrünstige Schreie aus. Die Ausbildung machte großen Spaß. Die el-Mazarib-Beduinen und andere Stämme ließen ihre Herden hin und wieder auf unseren Feldern weiden, und wir mußten sie vertreiben. Diebstahl und Ausnutzimg der Felder anderer war bei ihnen gang und gäbe. Aber politische Konflikte hatten wir mit ihnen nicht. i

Meine ersten echten militärischen Erfahrungen gewann ich bei der Schimron-Gruppe im Zusammenhang mit dem .Araberaufstand“, wie die Briten die Ausschreitungen nannten, die im Mai 1936 begannen und das Land bis 1939 beunruhigten, als Großbritannien zu seiner neuen Palä-

stinapolitik überging und die Einwanderung der Juden und die jüdischen Landkäufe einschränkte.

Im Verlauf dieser drei Jahre unternahm die jüdische Gemeinde in Palästina große Anstrengungen, um den Selbstschutz aufzubauen, und rief die junge Generation zur aktiven Mithilfe auf.

Später begegnete ich Orde Win-gate, einem Hauptmann der britischen Armee, der bei Ausbruch der Araberunruhen im Jahre 1936 nach Palästina gekommen war. Er wollte, daß sich unsere Gruppe versammeln sollte; er würde uns zeigen, wie wir kämpfen müßten.

Dann berichtete er über seine jahrelangen Erfahrungen im sudanesischen Guerülakrieg und beschrieb die Technik des nächtlichen Uberfalls aus dem Hinterhalt. Er beendete seine Ausführungen mit dem überraschenden Vorschlag, wir sollten jetzt sogleich mit ihm einen solchen Uberfall durchführen. Wo und wie, das würde er uns zeigen.

Die taktischen Anweisungen Jizchak Sadehs (eines Veteranen des jüdischen Untergrunds), der gleichfalls der Meinung war, daß der Angriff die beste Abwehr sei, waren den Ideen Wingates sehr ähnlich. Aber bei Wingate kam eben noch hinzu, daß er durch und durch ein kompromißloser Professional war. Sein Fanatismus und seine unerschütterliche Zuversicht beflügelten uns.

Die Araber mußten mit der Zeit erkennen, daß sie nirgends mehr vor uns sicher waren und uns jederzeit in die Falle gehen konnten.

Aus: ISRAEL. Ein Reisebuch. Herausgegeben von Bernd Schiller. Ellert & Richter Verlag, Hamburg 1987. 231 Seiten. öS 232,40.

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