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Aus dem Konzertsaal

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Viele Jahre hat man Christian Ferras in Wien nicht mehr gehört: Nun präsentierte er sich als Solist des Brahms-Violinkonzertes in der „Großen Symphonie“ im Musikverein. Und noch immer versetzt er, das einstige Wunderkirid des Pariser Conservatoire, der spätere Geigenfavorit Karajans, in Erstaunen. Denn er geigt zum Beispiel- dieses einst zum „Konzert gegen die Geige“ erklärte Werk Brahms auch heute noch ganz so, als wolle er demonstrieren, daß es für ihn technische Schwierigkeiten, Probleme mit komplizierten Griffen, Sprüngen, Akkordfolgen überhaupt nicht gibt. Allerdings vermißt man in seiner Wiedergabe bei aller Schönheit, bei allem strahlenden Glanz des Tons die dunkle Sinnlichkeit Brahms’, seine melancholisch getönten Kantilenenbögen, das sanfte Aussingenlassen der Lyrik. Ferras spielt das Werk prächtig, auftrumpfend, als reines Virtuosenstück. Geigenseiltanz ohne Netz. — Als Partner am Dirigentenpult hatte er Lovro von Matačič einen der großen alten Herren des Taktstocks, einen Künstler, der in Wien viel zu selten zu Gast weilt. Wie Matačič die Symphoniker durch Brahms’ Partitur führte, zeigte die Meisterschaft dieses „Kapellmeisters“ im besten traditionellen Sinn: unaufdringliche Routine, Sicherheit des Geschmacks, das Wissen, wie man ein Orchester zu Höchstleistungen führt — das sind sein? Atouts. Janáčeks „Sinfo- nietta“ gelang ihm in einer leuchtenden Wiedergabe. Die monumentalen Fanfarenblöcke am Anfang und am Schluß donnerten imponierend von der Orgelgalerie herab. Haydns Symphonie „Der Bär“ hatte leider nur die Funktion eines Einspielstücks.

In der kurzen Zeit seines Bestehens hat sich das Küchl-iQuartett in die vordere Reihe junger Kammermusikensembles gespielt: Sentiment und Frische des Klangs stimmen zusammen, an Exaktheit mangelt es nicht. Und im Programm suchen die vier jungen Herren neben Haydn („Lerchenquartett“) und Beethoven („Rasumovsky“-Quantett, Nr. 3) immer wieder ein seltener gespieltes Werk der. neueren Literatur zu stellen. Diesmal Prokofieffs II. Streichquartett: ein von prickelnden Folklorethemen und. tänzerischem Duktus geprägtes Werk, das 1941 im Kaukasus entstand und von den vier Philharmonikern sehr temperamentvoll aufgeführt wurde.

R. W.

In der vergangenen Woche gab es unter anderem im Musikverein einige hochbedeutende Kammerkonzerte und die Festmatinee des Wiener Madrigalchores mit der Bläservereinigung der Wiener Philharmoniker. — Das letztgenannte Konzert hinterließ einen recht zwiespältigen Eindruck. Wohl gelang den Madri- galisten der einleitende Reger (aus den „Geistlichen Gesängen“ op. 138 — ein frommes Spätwerk) mit seiner hochchromatischen Farbigkeit in sattem Chorklang, wohl ließen Ausdrucksintensität und dynamischer Reichtum in fünf lateinischen Motetten von Bruckner (darunter die volkstümlich gewordenen über „Ave Maria“ und „Locus iste“) aufhorchen, beeindruckte die deutliche Deklamation in den Frauenstimmen, aber nicht zu überhörende, teils recht schmerzhafte Intonationsunsicherheiten verwischten wieder den schönen Gesamteindruck; so auch in der e-Moll-Messe Bruckners, wo es im sehr intensiv gesungenen „Kyrie“ merklich danebenging, wo der Dirigent Xaver Meyer über die unbetreut mitblasenden Philharmoniker hinwegdirigierte. H. M.

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