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„Sonnenschein“ und „Teufelsfuge“

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Das 2. Konzert im Zyklus „Die große Symphonie" im Musikverein dirigierte Hans Swarowsky. Den

1. Teil des Programms bildete das

2. Klavierkonzert von Brahms, mehr als 20 Jahre nach dem ersten vollendet und wJhl das geistig und technisch anspruchsvollste Werk dieses Genres in seinem Jahrhundert… Was für ein ausgezeichneter Pianist Brahms war, geht aus der Tatsache hervor, daß er bei der Uraufführung in Budapest mit Begleitung des Theaterorchesters unter Alexander Erkei diesen enormen Solopart selbst spielte. — Wenn man dem jungen Argentinier Bruno-Leonardo Gelber, der seit 1960 in Paris lebt und dort den Marguerite-Long-Preis erhalten hat, bestätigt, daß er allen Anforderungen — den technischen, künstlerischen und geistigen — die ses Werkes voll gerecht geworden ist, so braucht man dem nicht mehr viel hinzuzufügen. Anfangs schien es uns ein wenig allzu flott zu gehen, doch war dies ein subjektiver Eindruck, denn die normale Gesamtdauer von 45 Minuten wurde um mindestens drei Minuten überschritten.

Das einzige Handikap war, meinem Empfinden nach, der allzu helle, zuweilen in den höchsten Tönen gläserne Klang des Steinway, der den lyrischen Stellen nicht gut bekam. Noch weniger gefiel dem Rezensenten, was er da im Programmheft an blumenreichen Hanslick-Zitaten vorgesetzt bekam. Brahms war, „ohne die geringste Untreue gegen sich selbst zu begehen“ (warum sollte er auch?) „ein verehrter und beliebter Mensch geworden. Daher jener glückliche und beglückende Sonnenschein, der nunmehr aus seiner Musik hervorbricht“. Der 3. Satz wird als ein „herrliches Liebeslied von romantisch-verinner- lichter Gefühlstiefe“ bezeichnet. Mag sein, daß er das ist. Aber so etwas kann man heute nicht mehr nach- drucken und lesen! Weniger blümerant ging es im Kommentar zu Beethovens „Eroica“ zu, die Swarowsky, in bester Verfassung, in ihrer ganzen Strenge und Würde, ohne Sentimentalität und Pathos, interpretierte.

Ein interessantes Programm boten die Philharmoniker ihren Abonnenten im 3. Konzert unter Lorin Maazel. Edward Elgar (1857 — 1934), einer der Nationalheiligen der neueren englischen Musik, hat 1905 als op. 47 ein Stück mit dem Titel „Introduktion und Allegro für Streichquartett ■und Streichorchester“ geschrieben. Eine erstaunliche instinktlose Komposition instrumentaler Zusammenstellung. (Denn einem Streichquartett stellt man doch besser ein aus Bläsern, zwei Klavieren und Schlagwerk zusammengesetztes En semble gegenüber). Aber dieses Stück ist, laut Programmkommentar „eines der frappantesten Beispiele für Elgars Genie“. Auch spricht der Elgar-Biograph W. H. Reed von einer „knirschenden, impulsiven Tongebung“ (da muß es sich um einen Übersetzungsfehler handeln!) und von einer „Fuge, die den Teufel im Leibe hat“. Das Manuskript aber trägt das ihm vom Komponisten auf den Weg gegebenen Möttö „Unter Tränen lächelnd“. Das kommt der Sache schon näher. Präziser könnte man vielleicht sagen: der Mann sprüht Leder. Doch das wußten wir schon lang.

Hingegen waren Bartöks „Deux images pour orchestre“ op. 10 — viel zu selten zu hören bei uns! — eine reine Freude. Denn sie sind als Komposition (von 1910) viel gelungener als die „Deux portraits“ (1905) und nehmen an manchen Stellen schon die Sprache eines seiner Meisterwerke, nämlich der Oper „Herzog Blaubarts Burg“ von 1911 vorweg. Die Titel „En pleine fleur“ und danse vil- lageoise“ (lassen ein Idyll erwarten, aber bereits beim Prüfen der Instrumentierung wird man mißtrauisch: große Holzbläserbesetzung, dazu je vier Hörner und Trompeten, drei Posaunen mit Tuba, Trommeln, Glocken, Celesta und zwei Harfen etc Immer wieder schlägt kaltes

Feuer aus dieser Partitur, die von den Philharmonikern unter Maazels Leitung transparent, farbig und präzise wiedergegeben wurde. Besonders gelang den Interpreten das Crescendo und Accelerando am Ende des zweiten Bildes. (Die Erste von Brahms, die wir von Maazel schon einmal gehört haben, bildete den 2. Teil des Konzertes.)

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