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Autodiagnose

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Bald ist es soweit. Die amtlich verordneten, weil Gebühren einbringenden neuen Autonummern stehen vor der Garagentür.

Als fahrende Psychogramme werden sie trotz einschränkender Kürze einiges von der Mentalität der Fahrer, die sie sich ausgesucht haben, skizzieren. Bis dahin bleiben uns jedoch jene Signale und Verhaltensweisen, die jedem Aufmerksamen Schlüssel zur Seele des jeweiligen Lenkers in die Hand geben. Eine grobe Auflistung sei im folgenden angeführt. a) Der Hatdriver. Er trägt sommers wie winters trotz Vorhandenseins eines durchaus dichten

Autodaches im Inneren der Fahrzeugkabine Hut. Dies weist auf ein besonderes Sicherheitsbedürfnis wie auch auf solide Zuver^ lässigkeit hin. Die Devise „Doppelt hält besser“ macht ihn zum vertrauenswürdigen, jedoch phantasielosen Lebensgefährten und Geschäftspartner. b) Der Nasenbphrer. Besonders beim Aufenthalt in Staus oder an Kreuzungen wandert einer seiner Finger zur Nase. Sie haben es hier mit einem stark in der Kindheit verhafteten, träumerisch veranlagten Typ zu tun. c) Der Dachhalter. Er lenkt seinen Wagen flott mit der rechten Hand auch durch unübersichtliche Kurven, hält dabei jedoch mit der Linken aus dem geöffneten Seitenfenster das Autodach. Diese ambivalente Gestik zwischen lockerer, weil einhändiger Fahrweise einerseits und dem krampfhaften Halten eines ohnehin fix montierten Autoteils andrerseits läßt auf Unsicherheit schließen. Auch das scheinbar gelöste Mittrommeln der Radioweisen auf dem Wagendach soll diesen Mangel nur überspielen. d) Der Beifahrersitzumarmer.

Trotz Nichtvorhandenseins eines Beifahrers beziehungsweise einer Beifahrerin ruhtf*der rechte Arm dieses Typus auf der Lehne des Nebensitzes, das Lenkrad wird nur linkshändig betätigt. Herr oder Frau ,d' ist jedoch nicht, wie man annehmen könnte, die Wintervariante von ,c\ sondern der grundlose Angeber, der mit seiner Armhaltung eine Gewohnheit vortäuschen will, nämlich ansonsten und nur jetzt gerade ausnahmsweise nicht in Begleitung zu sein. In Wirklichkeit ist an dieser Bewegung kein Wort wahr. e) Der Souvenirfetischist. Am

Rückspiegel, auf dem Armaturenbrett, auf der Hutablage und am Heck hängen, liegen und kleben diverse persönliche Andenken, Trophäen und Statussymbole, vom Kinderschuh über Katzenmaskottchen bis zu Boxhandschuhen, Tennisschlägern, Schutzhelmen und Aufklebern ferner Reiseziele. Hier handelt es sich um einen äußerst extrover-tierten Menschen, dessen Unterhaltsamkeit bei näherem Kennenlernen an jene von Peter Alexander in seinen ersten Filmen erinnert. Wer Freude an Knallbonbons und deftigen Bobbywitzen hat, sollte seine Gesellschaft suchen. f) Der Zeichengeber. Hier ist nicht der korrekte Licht-, Hup-und Blinkzeichengeber gemeint (letzterer ist sogar eher im Aussterben begriffen), sondern jener Lenker, der mit einer Hand oder auch mit beiden Armen die Straßenkameraden darauf aufmerksam macht, was er von ihnen hält oder, besser, wofür sie ihn halten können, was man am besten auch tut. g) Der Lenkradklammerer. In meist stark verkrampfter, vornübergebeugter Haltung hockt er, oft im Mantel und bei eng nach vorne geschobenem Sitz, am Steuer und hält beide Hände an, der obersten Stelle des Volants. Sein Reaktionsvermögen ist stark eingeschränkt, was er aber nicht weiß, ja abstreitet. Ihm geht und fährt man am besten aus dem Wege, was man durchaus auch auf die autolose Zeit ausdehnen sollte, soferne die Fingerknöchel des Betreffenden auch fernab der Straße weiß bleiben. h) Der Telephonierer. Im dichtesten Verkehrsgewühl, und meist nur dort, hält er den Hörer so hoch er kann und spricht. Doch geht es ihm weniger ums Fernsprechen selber, sondern ums Dabei-gese-hen-Werden. Es soll Lenker geben, die hiefür lediglich Telephonattrappen benutzen. Sollte der Telephonierer auch noch drei Kugelschreiber im Hemd- oder Blusen-tascherl sowie außerhalb des Autos ein Gegensprechgerät mit sich führen, ist im Umgang mit ihm äußerste Vorsicht geboten.

Platzmangel hindert uns, auch noch auf die Autolieger, Aufreiter, Surfbrett- und Skitranspor-tierer, Huper, Linksfahrer, Zögerer, Sinnspruchpicker, 120-Watt-Radiospieler, Ampelflirter und alle Mischtypen einzugehen, doch kann angenommen werden, daß der geneigte Leser mit der obigen bruchstückhaften Typologie Anregungen zu eigenen psychologischen Betrachtungen gewonnen hat.

Wenn, wie gesagt, in ein paar Monaten die Mausi & Machos, Rambos und Zombies rbis 999 die Vehikel unseres Landes zieren werden, dann haben wir die Diagnosen auch schriftlich.

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