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Autor, preisgekrönt

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Wess' Brot ich ess, dess' Lied ich sing“ heißt ein altes „Sprüch-Wort“ - auch dies in der alten Form geschrieben. Diese Volksweisheiten haben zweierlei an sich. Sie sind banal, und sie haben einen wahren Kern. Das eine ist ärgerlich, das andere ist gut.

Gotthold Ephraim Lessing gestaltet die Frage in seiner „ Emilia

Galotti“ deutlich genug. Im ersten Aufzug und zweiten Auftritt des Trauerspiels empfängt der Prinz von Guastalla den Maler Conti. Er begrüßt ihn mit folgenden Worten:

„Guten Morgen, Conti. Wie leben Sie? Was macht die Kunst?“

Der Maler antwortet: „Prinz, die Kunst geht nach Brot.“

Der Prinz scheint edel gesonnen, denn er sagt darauf: „Das muß sie nicht, das soll sie nicht - in meinem kleinen Gebiete gewiß nicht.“

Und dann macht er eine gedankenschwere Pause und fährt fort: „Aber der Künstler muß auch arbeiten wollen.“

Womit wir beim Thema wären.

Zwischen Lessing und unserer Zeit liegen mit Fug und Recht zwei Jahrhunderte. Ich komme durch wiederholte Erlebnisse auf dieses Thema - Thema con variazioni. Wären sie nicht so kläglich, wäre man versucht, von der „Kunst der Wiederholung“ zu sprechen.

Ein Beispiel, das für viele steht: ein junger Autor (was nicht ausschließt, daß es auch ein älterer sein kann) hat einen Literaturpreis bekommen. Nicht irgendeinen, sondern einen namhaften. Namhaf-tigkeit vervielfacht die Nullen nach dem Geldpreis, den Staat, Stadt oder Land locker gemacht haben. Der junge Autor - bleiben wir mal bei ihm - ist also über Nacht namhaft geworden. Er hat offenbar nichts dagegen, was er durch seine Bereitschaft zeigt, den Preis anzunehmen.

Der große Moment der Preisübergabe ist gekommen. Ein interessiertes Publikum erwartet die Vorstellung des „Preisträgers“ (ein selten dummes Wort, aber es gibt derweil kein anderes) durch einen Fachmann/Fachfrau und die anschließende Lesung Daß der Fachmann den Autor und sein Werk lobt, ist nicht verwunderlich. Erstens hat er ein gutes Buch geschrieben, zweitens saß der Fachmann in der Jury. Die Vorstellung des Autors wird artig beklatscht, und nun kommt er selbst, tritt hinter das Pult.

Und was sagt er? Er bemängelt, daß so viel Gutes und Schönes über ihn gesagt worden ist.

Ist das sein Ernst? Denn nach Koketterie sieht er nicht aus. Eher wie einer, der auszieht, um die anderen das Fürchten zu lehren.

Was tut er noch? Er beschimpft die Veranstalter dieser festlichen Tagung, nennt ihre vorbereitende Arbeit lieblos und oberflächlich. (Selbst wenn das stimmen sollte, wär's vielleicht eine Frage der Fairneß, mit den Verantwortlichen unter vier Augen - oder acht oder zwölf, je nachdem - zu sprechen.)

Nachdem der Autor seine Watschn ausgeteilt hat, bequemt er sich, zu lesen, fast eine Stunde lang. Später vernimmt der erstaunte Gast, daß der Autor das alles ganz bewußt inszeniert habe: er wolle kränken und verletzen.

Aha.

Und wie reimt sich das zusammen?

Das reimt sich überhaupt nicht.

Es gibt Schriftsteller, die auf Preise pfeifen, weil sie die Spender verachten und weil sie sowieso genug Geld an ihren Büchern verdienen.Unser preisgekrönter Autor, von dem hier die Rede ist, verachtet jene Art von Leuten, die so viel Geld haben, daß sie Preise stiften können, offenbar auch. Was ihn von seinen berühmteren Kollegen unterscheidet: er braucht Geld.

Also nimmt er's.

Mit seinen Maßregelungen kommt er sich anscheinend sehr modern vor. Dabei ist das doch, spätestens seit der „Publikumsbeschimpfung“ von Peter Handke ein alter Hut. Das nebenbei.

Wir kommen auf das Lied des Anfangs zurück. Auch auf Lessing. Denn natürlich lebt auch der Künstler vom Brot. (Oder: lebt der Künstler auch vom Brot.) Wenn der Brotherr ihm nicht gut genug ist, daß er dessen Brot oder die Gelder, von denen er sich die Brötchen kaufen kann, annimmt, soll er's bleiben lassen. Wenn er's annimmt, braucht er zwar nicht unbedingt ein Lob-und Preislied anzustimmen, sollte aber doch die primitivsten Regeln des Anstands wahren. Merkwürdigerweise sind gerade diejenigen so oft Verächter des Anstands, die sich sonst so ungeheuer „sozial und kommunikativ“ gebärden.

Ob es zwischen dem opportunistischen Lob- und Preislied auf den Geld-, pardon, den Brotgeber und seiner öffentlichen Beschimpfung noch weitere Möglichkeiten geben könnte, wäre des Nachdenkens wert.

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