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Besinnliche Reise

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Der Winter ist fast vorbei. Ein Winter, der eigentlich keiner war. Sehr zum Mißvergnügen der Ölscheichs, die nur durch Preiserhöhungen den durch die warme Witterung erzeugten Ausfall wettmachen konnten. Das Ahnen des kommenden Frühlings verleitet so manchen, große Reisepläne für den Sommer zu schmieden, aber auch, sich Gedanken zu machen, welche Schönheiten in der Zeit bis zum Sommer in der eigenen Heimat entdeckt werden könnten. Und da beginnt so mancher zu sinnieren. Am besten geht dies, wenn man vorher gut gegessen hat. Wie gut man in Österreich essen konnte und auch noch kann, zeigt der köstliche Band „Österreich tafelt“ von Ludwig Karpath. Erschienen im Prestel-Verlag, dessen Name allein schon für eine hervorragende Ausstattung Bürgschaft ist. Der Verfasser hat, wie jeder Österreicher, zwei Berufe. Er ist Hofrat und Musikkritiker und im dritten Beruf sammelt er köstliche Kochrezepte. Wer dieses Buch durchblättert, dem rinnt bereits bei der Lektüre das Wasser im Mund zusammen. Da findet er etwa eine Rollgerstlsuppe mit Schlagobers, einen Sardedlenrost-braten und zum Nachtisch einen Kaffestriezel. Und natürlich noch Dutzende und Aberdutzende andere gute Sachen. Nach einem solchen Essen muß man sich ausruhen und kann zu sinnieren beginnen über kommende Reisen, über kommende Wanderungen. Am besten in Gesellschaft entsprechender Bücher, die man sich wohlweislich schon vor dem Essen zurechtgelegt hat, denn nach dem Essen wäre es zu mühsam, sie zu holen.

Warum in die Ferne schweifen, denkt der durch dos gute Essen wohlgelaunte Sinnierer. Er nimmt das Buch von Otto Stradal „Wunderbare Welt um St. Stephan“ und entdeckt, geführt von diesem erfolgreichen Essayisten wunderschöne Details der Wienerstadt, an denen er vielleicht bisher vorbeiging. So zum Beispiel das Churhaus, das Deutsch-ordens-Haus, das Blutgassenviertel. Lauter Köstlichkeiten, die sich rund um seinen geliebten „Steffel“ gruppieren.

Aber Stradal führt den wohlgelaunten Pläneschmied an Hand eines anderen Buches, dos sich „Es steht manch ScMoß in Österreich“ nennt,auf 37 Kunstfahrten zu berühmten österreichischen Burgen, Schlössern und Palästen, teils in der näheren Umgebung von Wien, wie das schöne Wasserschloß Laudon, heute eine Luxusgaststätte, oder Burg Greifenstein, bis hin nach Schloß Ambras in Tirol. Den Pläneschmied fällt ein weiteres Buch in die Hände, das soeben im wohlrenommierten Amal-thea-Verlag erschienen ist und Aufzeichnungen eines Fußgängers enthält, der eine Reise um Wien in 18 Tagen unternimmt. Adelbert Muhr, bekannt durch seine feinsinnigen Essays über die Donaulandschaften, hat dieses Buch verfaßt und führt den Leser schon durch die Lektüre in die Köstlichkeiten der näheren Umgebung von Wien ein. Plötzlich entdeckt der Leser, daß er sich endlich einmal Stammersdorf ansehen muß oder Maria-Ellend oder Gänserndorf und daß es auch höchste Zeit wäre, wieder einmal Laxenburg zu besuchen oder gar Haslau. Wilfried Zeller-Zellenberg hat das Buch mit köstlichen Zeichnungen versehen. Das Wort „Donau“ ist gefallen und da erinnert sich unser wohlgenährter Sinnierer an das Buch „Donauland zwischen Wald, Wein und Wien“, das er sich auch für die geistige Nachspeise bereitgelegt hat. Es enthält Kunstwanderungen längs der Donau von Passau bis zur Ungarischen Pforte. Aber nicht nur die Kunstschätze dieser so prächtigen Landschaft werden geschildert und durch Bilder wiedergegeben, sondern auch mit den Menschen dieser Gagend, den früheren Generationen und der heutigen, beschäftigt sich der Autor. Und weil unser guter Freund sich mit der Donau beschäftigt, greift er zu einem Buch, das Linz an der Donau schildert und das der Oberösterreichische Landesverlag herausgegeben hat. Linz ist heute im Kern noch immer die schöne, barocke, teils bäuerliche, teils bürgerliche Kleinstadt, die umrahmt wird von modernsten Industrieanlagen. Seit kurzem ist Linz auch noch eine Hochschulstadt, besitzt somit eine Mischung verschiedenster sozialer Schichten, was viele Probleme für die Stadtverwaltung ergibt. Zu bemerken an diesem Buch sind die schönen Fotos und die Wiedergabe von Bildern des alten Linz, die ahnen lassen, wie gemütlich Linz gewesen sein muß.

Etwas Wehmut erfaßt den Pläneschmied, wenn er zum nächsten Buch greift, das Herbert Strutz über das „verborgene Kärnten“ verfaßt hat. Der Autor ist vor kurzem verstorben. Das vorliegende Buch ist das letzte einer Trilogie. „Kärnten auf vielen Wegen“ und „Unterwegs in Kärnten“ hießen die ersten und in jedem dieser Bücher beschreibt dieser feinsinnige Erzähler die wichtigsten und schönsten Stätten des Landes. Hier hat ein Dichter das Land erforscht und kann den Leser auf vieles hinweisen, das vielfach unent-deckt und unbekannt geblieben wäre. Aber mit Schrecken bemerkt unser Freund, daß die Zeit schon vorgeschritten ist und greift zum letzten Buch, das ihn wieder in die Nähe von Wien rückt und gleichzeitig eine Reise in die Vergangenheit darstellt: Alfred Niel, Historiker des Eisenbahnwesens, hat ein kleines entzückendes Buch über die alte Kahlenbergbahn herausgegeben. Diese Zahnradbahn, errichtet 1874 nach dem Muster der Rigi-Bahn, brachte Tausende und Abertausende von Wienern auf den Kahlenberg. In manchen Jahren erreichte die Zahl der transportierten Personen gar 250.000. Kurz nach dem Ersten Weltkrieg wurde ihr Betrieb eingestellt. Die Schwellen des einen Geleises waren während des Krieges von Wienern gestohlen worden, um als Brennmaterial verwertet zu werden. Pläne, die Bahn wieder zu reaktivieren, scheiterten endgültig durch die Errichtung der Höhenstraße im Jahre 1935. Nur das Cafe „Zahnradbahnhof“ am Nußdorferplatz erinnert noch an diese Kuriosität. Erschöpft und noch immer wohlgenährt, lehnt sich unser Freund zurück, überwältigt von den Schönhei-i ten, die seine nähere und weitere Heimat ihm bietet und die in der 'lurzen Zeit zwischen Winter und antritt der Sommerreise genießen u wollen er sich vornimmt.

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