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Bischofraten

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Mein Freund, Monsignore M., liebt lustige Gesellschaftsspiele. Er spielt leidenschaftlich gerne Tarock, Canasta und einiges mehr. Seit kurzem huldigt er einem Spiel, das er selber erfunden hat und das ihm und seiner Umgebung sehr viel Spaß bereitet. Es heißt „Bischofraten“.

„Du hast keine Ahnung“, sagte er zu mir, „wie viele Wetten ich bereits abgeschlossen habe.“ „Worüber?“ fragte ich.

„Nun, darüber, wer der neue Erzbischof von Wien wird. Alle Welt rätselt seit Wochen herum, wer der Nachfolger Kardinal Königs wird. Das hat mich auf die Idee gebracht, einen Totoschein zu erstellen, mit dem man ,Bi- schofraten* kann. Tippst du richtig, kriegst du ein Faß Bier von mir, tippst du falsch, bekomme ich das Bier von dir.“

„Nein!“ sagte ich verwundert. „Und wie spielt man dieses Spiel?“

„Es ist denkbar einfach. Hier siehst du einen Tippschein, auf dem alle Buchstaben des Alphabets aufscheinen. Du mußt nun lediglich jenen Buchstaben ankreuzen, mit dem deiner Ansicht nach der Name des neuen Erzbischofs von Wien beginnen wird.“

„Haha!“ lachte ich kurz. „Das ist aber wirklich sehr einfach. Wenn ich nämlich das K ankreuze, kann ich wohl kaum fehlgehen. Denn dieser Buchstabe kann ebenso Kapellari wie Krätzl oder Kuntner bedeuten.“

„Nein“, sagte der Monsignore, „so einfach ist es wieder auch nicht. Denn bei jedem Buchstaben, bei dem es mehrere Kandidaten geben könnte, muß du nach dem ersten auch noch den zweiten Buchstaben hinzufügen. Bei Kapellari schreibst du also Ka, bei Krätzl Kr und bei Kuntner Ku.“

„Und was ist, wenn ich gar nicht ein K, sondern, sagen wir, ein W' tippe?“

„Als alter Spieler würde ich dir davon abraten“, sagte der Monsignore.

„Und warum?“ fragte ich.

„Das ist eine Sache der Erfahrung. Die Linzer haben zum Beispiel schon einmal auf W getippt und sind damit eingefahren.“

„Weshalb“, fragte ich meinen Freund, „bist du überhaupt so stark auf den Buchstaben K fixiert?“

„Nun, ich gebe zu“, sagte der Monsignore, „ich neige zur Buchstabenmystik, aber es hätte auch dir schon längst auffallen müssen, daß sich die Anfangsbuchstaben der letzten Erzbischöfe von Wien ungefähr in der Mitte des Alphabets eingependelt haben. Das deutet auf Ausgeglichenheit, auf die Rolle eines Vermittlers hin. Denk doch ein Wenig nach: zuerst hatten wir ein I, dann kam ein K.“

„Und was ist mit dem J dazwischen?“ fragte ich ein wenig ironisch, „wird dieser Buchstabe unterschlagen?“

„Aber nein. Der wurde immerhin Erzbischof-Koadjutor.“

„Also wenn ich ehrlich bin“, sagte ich, „ich komme da nicht mit. Was du da treibst, ist reinstes Mittelalter.“

„Ist es auch. Na und? Natürlich tauchten nach dem Konzil einige krause Ideen auf, die von einer Beteiligung des Volkes Gottes oder zumindest des Presbyteriums an der Ernennung eines Bischofs wissen wollten. In dieser Zeit wurden zum Beispiel Kuntner und Weber zu Bischöfen geweiht. Aber es handelte sich dabei Gott sei Dank nur um eine kurze Periode.“

„Was heißt Gott sei Dank?“ empörte ich mich.

„Schau“, beruhigte mich der Monsignore, „heutzutage wird überall und immer nur gewählt und gewählt. Die Leute haben es satt, ständig zu irgendeiner Urne zu pilgern. Es ist doch viel spannender, wenn man einen Bischof erraten kann. Nehmen wir zum Beispiel Holland. Ich finde es einfach toll, wie da herumgerätselt wurde, wer der Nachfolger des Kardinal Willebrands wird und wupps — plötzlich zauberte Rom einen Bischof aus dem Hut, auf den nicht einmal der Kardinal selbst getippt hätte. Du weißt, daß ich ein Spiel- und Rätselfan bin. Mir gefällt das. Ich bin der Kurie, über die viele von euch so schäbig herziehen, unendlich dankbar, daß sie dieses Stück Mittelalter dem Konzil wieder entrissen hat.“

Und Monsignore M. schloß: „Ihr progressiven Priester und Katholiken prahlt ewig mit eurer Aufgeklärtheit, dabei habt ihr weder von der Kulturgeschichte noch vom Wesen des Menschen auch nur eine blasse Ahnung. Der Mensch ist eben ein homo ludens. Auch der Kirchenmensch ist ein Spieler. Laßt ihm doch seine Spiele.“

Eigentlich mußte ich dem Monsignore recht geben. Was bleibt mir auch anderes übrig? Ob ich nun Ka, Kr oder Ku schreiben soll? Oder doch vielleicht W?

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