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Bücher verändern

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Bisher waren einschlägige Wissenschaftler der Meinung, daß Bücher die Leser verändern. Aufgrund von eingehenden Studien und repräsentativen Befragungen konnten besagte Wissenschaftler ihre Erkenntnisse auf diesem Gebiet enorm erweitern. Professor Buchinger kam nach jahrelanger Forschungsarbeit zur Erkenntnis, daß Bücher nicht nur die Leser, sondern auch die Schreiber verändern.

Diese Erkenntnis beruht einerseits auf intensiven Beobachtungen und andererseits auf Selbstzeugnissen von Schriftstellern.

Zur Illustration seien hier einige dieser Beobachtungen und Selbstzeugnisse erwähnt.

Kaum hat ein Schriftsteller sein erstes Buch veröffentlicht, macht er eine Metamorphose vom Idealisten zum Materialisten durch. Das heißt: Es geht ihm nicht mehr so sehr um die inhaltliche Botschaft seines Buches, sondern nur mehr um die Höhe der Verkaufszahlen desselben. Das führt zu allen möglichen Nebenerscheinungen. So fragt der Schriftsteller in der näheren oder ferneren Verwandtschaft und Bekanntschaft direkt oder indirekt herum, ob nicht jemand sein Buch kaufe. Wenn diese Frage bejaht wird, können Freudentränen die Folge sein. Wird hingegen die Frage verneint, so kann das zu jämmerlichen Weinkrämpfen führen, die auch in manischdepressive Zustände ausarten können.

Verkauf ich mein Buch oder verkauf ich es nicht, das wird zur hamletischen Existenzfrage für jeden Schriftsteller. Dazugefügt kann noch werden, je unbekannter der Autor, desto drängender diese Frage.

Weiters wurde festgestellt, daß Autoren mit Zittern und Schweißausbrüchen den Tag der Honorarabrechnung entgegenfiebern. Dieser Tag hat etwas vom jüngsten Gericht an sich, entscheidet sich doch an ihm die Frage: Verkauft, oder nicht verkauft. Oder differenzierter ausgedrückt: Wieviel verkauft und wieviel nicht verkauft.

Manchmal hat so ein Tag schon mit einem Nervenzusammenbruch geendet. Viele Verlage sind daher dazu übergegangen, diesen Tag mit einem beruhigenden Schreiben anzukündigen, um das Ärgste zu verhindern.

Letztlich hat manchen Autor die Frage nach dem Verkauf seiner Bücher so sehr vereinnahmt, daß er soweit gekommen ist, seine eigenen Bücher stapelweise zu kaufen, ohne je zu wissen wozu. Aber immerhin konnte er dadurch die Verkaufsziffem beim Verlag erhöhen, was für manchen Autor gleichzusetzen ist mit der Frage nach dem Sinn des Lebens.

Abschließend und zusammenfassend kann gesagt werden: Bücher verändern den Autor oft mehr als den Leser, was insbesondere für Autoren ohne Leser gilt.

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