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Christen mit oder ohne Phantasie?

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Der Autor ist Leiter des Familienreferates und Geistlicher Assistent des Katholischen Bildungswerkes der Erzdiözese Salzburg.

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Der Autor ist Leiter des Familienreferates und Geistlicher Assistent des Katholischen Bildungswerkes der Erzdiözese Salzburg.

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Es scheint, daß in manchen katholischen Familien ein braves Kind mehr geschätzt wird als ein phantasievolles. Die Fähigkeit, im gleichen Schritt und Tritt zu marschieren, wird gelegentlich für wichtiger gehalten als der Einfallsreichtum, als der Mut des Kindes, eine neue gute Sache anzugehen.

Ob nicht Gehorsam, Verbote und Strafen im Umgang mit Kindern oft eine größere Rolle spielen als die Ermutigungen, die eigene Energie des Tuns, Forschens, Fragens und Liebens zu entfalten?

Im vierten und fünften Lebensjahr wendet sich das Kind in erstaunlichem Maß auch religiösen Problemen zu. Eltern neigen dazu - soweit sie sich dafür Zeit nehmen -, diese Fragen endgültig und autoritativ zu entscheiden. Damit können die Fragefreude und das Suchen des Kindes erheblich gehemmt, gestört, ja zerstört werden.

Es kann sich beim Kind die Meinung verfestigen, es gäbe nichts Wichtiges, das man noch erfragen könne. Das Suchen, die forschende Neugier, die Phantasie geraten

früh in den Verdacht, unerwünscht und verboten zu sein.

Ob nicht bereits in der Kindererziehung eine Ursache dafür grundgelegt wird, daß es Christen mit und Kirche ohne Phantasie gibt?

Die Christen und die Kirche haben sich an Jesus zu orientieren. Jesus hat sich mit dem Tod und seinen Vorboten - mit Angst, Krankheit, Leid, Randexistenz und Schuld - nicht abgefunden. Mit Mut und

Phantasie ergriff er Partei für das Leben: Er heilte, ermutigte, schenkte Vertrauen und Verzeihung, litt mit den Trauernden, Kranken und Sterbenden, riß Mauern zwischen Menschen und Menschengruppen nieder. Wo Menschen dem Tod verfallen oder hoffnungslos waren, da schuf er Leben.

Er spürte die Mächte des Todes mitten im Leben auf-und geriet deshalb in Konflikt mit ihnen. Ihm blieb der Tod nicht erspart, sein

furchtbarer Tod, aber selbst im Tod hielt er sich an den, für den er gelebt hat, an den Lebendigen, seinen Vater. Er wußte sich verstanden, angenommen vom Vater. So ist er eins geworden mit Ihm, auferweckt worden, der Auferstandene geworden.

Christen, die von Jesus her und auf Jesus hin leben, begegnen in der Eucharistie dem Menschgewordenen, Gekreuzigten und Auferstandenen. Eucharistie, Gebet und Meditation entlassen

ein Sollen und Können zum Glaubenszeugnis und zu Taten der Liebe für alle.

„Umsonst habt ihr empfangen, umsonst sollt ihr geben!" (Mt 10,8). Müßten Christen, müßten wir Priester angesichts der1 Schwierigkeiten, Fragen, Glaubensprobleme der Menschen nicht mehr Phantasie in der Kirche und für die Menschen entwickeln?

Phantasie wohin? Weniger Angst und Jammern, mehr mutige Taten! Weniger Intoleranz und Standpunktlösig-keit, mehr Toleranz und Uberzeugung! Weniger Urteilen und Richten, mehr Verstehen und Hören! Weniger Rückzug in Gotteshaus und vier Wände, mehr Hoffnung in der Welt! Weniger Verbe-amtung, mehr geistvolle Auseinandersetzung!

Weniger Flucht vor der „bösen" Welt, mehr Respekt vor dem Antlitz Christi in jedem Menschen! Weniger Aufdringlichkeit, mehr heilender Dienst! Weniger Erstarrung und Buchstabe, mehr Geist und Leben!

Weniger..., mehr...!

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