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Digital In Arbeit

Computer-Spiele

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Daß der Mensch nur ganz Mensch sei, wenn er spielt, das haben uns unmoderne Philosophen wie Martin Heidegger oder Josef Pieper nachhaltig gelehrt — und der Hermann Hesse ist nicht zuletzt wegen der poetischen Form dieser Aussage bis vor kurzem wieder modern gewesen. Aber es gibt bekanntlich kein Mensch-

sein, welches sich nicht noch steigern ließe. Oder, anders gesagt, jede Aktivität läßt sich durch Passivierung steigern. So lautet daher die heutige Philosophie, der Mensch sei nur ganz Mensch, wenn er spielen läßt.

Der Computer, jener intelligente Blechtrottel, welcher in der Arbeitswelt ohnehin nur soziale Schäden anrichtet, wurde endlich als der ideale Spielpartner entdeckt. Auf diesem Gebiet ist er wirklich nützlich. Keine lästigen Freundes- und Familiengeschichten mehr, ehe das Schachbrett aufgetragen wird. Ein Kontaktknopf auf XG 2 genügt und das gespeicherte Programm sämtlicher Großmeister ist „abrufbereit“.

Auf die Dauer ist es wesentlich anstrengender, gegen den Blechtrottel zu spielen als mit dem bestkonditionierten Partner. Erstens verliert man, wenn man ihm seine Intelligenz nicht herunterschraubt, ohnehin immer. Noch schlimmer aber ist oder wäre ein Gewinn. Wo bleibt der Triumph? Wo bleibt die säuerlich sich zu einem ergebenen Grinsen verziehende Miene, wenn sich das unausweichliche Matt ankündigt? Wo bleibt die mit nervösem Schwung übers Brett geschleuderte Dame? Und wer, bitte, zahlt mir die Flasche Wein, die ich gewonnen habe?

Die Sache ist ganz und gar unbefriedigend.

Aus Zorn und Rache gibt’s nur eines: Dem Computer einen ebensolchen gegenübersetzen. Und dann sollen die beiden Blechtrottel die ganze Nacht spielen — und wenn es mich interessiert, kann ich ja die Ergebnisse am nächsten Tag auf dem Registrierstreifen nachlesen.

Womit auch dieser Fortschritt fast in eine Sackgasse gelangt wäre, wenn es der Spielcomputerindustrie nicht gelungen wäre, sogenannte Uberraschungspro- gramme einzubauen. Neuerdings gibt es Computer, die zwischendurch einmal einnicken, die auf einmal Fehler machen, die stereophon fluchen, die plötzlich mogeln und was dergleichen eben das Spielen so menschlich macht.

Seither gehts aufwärts. In den Wirtshäusern klatschen jetzt die Schnaps-Computer die Karten auf den Tisch.und stoßen einander dabei. Besonders lustig ist ein „Mensch-ärger-dich-nicht-Com- puter“, der fallweise die Figuren an die, Wand wirft. Selbstverständlich gibt es auch Computer, die trinken und stänkern. Wenn man sie vor die Türe setzt, kommen sie wieder herein.

Neulich geriet ein solcher Computer außer Kontrolle und machte aus einem ganzen Lokal Klein-

holz, worauf er von der Polizei abgeführt wurde und am nächsten Tag erklärte, daß er sich an gar nichts erinnern könne.

Längst vorbei ist die Zeit der faden computergesteuerten Fußballroboterspiele, bei denen nichts Bemerkenswertes geschah. Jetzt ist das anders. Die neuen Roboter treten einander in die Waden, sie schreien, wälzen sich auf dem Boden, attackieren den Computer-Schiedsrichter. Es wirke, wie mir ein begeisterter Freund und Kenner der Szene versicherte, alles absolut echt und sei dementsprechend spannend. ‘

So erleichtert eben der Computer das menschliche Leben, indem er ihm die schwere Last des Spielers abnimmt. Die Computer spie-

len uns was vor — und wir gewinnen dabei, was wir ja immer schon haben wollten: Freizeit, um uns zu schonen, um unsere Kräfte zu regenerieren für die harte Arbeit in der Fabrik, in der diese Computer hergestellt werden.

Das Projekt, auch Kriegs-Com- puter-Roboter zu fertigen, steht kurz vor der Realisierung. Der alte Vorwurf, daß die gewaltigen Rüstungsausgabeh Menschenleben gefährden, ist dann endlich gegenstandslos. Die Milliarden, die in die Computer gepulvert werden, können uns kalt lassen. Statt Blut fließt dann Methylrot, und die Atombomben auf dem Terminal sind nicht aufregender als der Fernseh-Krimi.

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