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Das provisorische Loch vor dem Riesentor

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Die nun schon einige Jahre älte „Stephansgrube” hat gar manche Wiener geschädigt, verärgert, bei vielen aber auch ein ganz neues Interesse wachgerufen: Wie wird der Stephansplatz tatsächlich letzten Endes ausse- hen?

Erst war ein riesiges Loch vor dem Dom, zwischen Stock-im-Eisen-Platz und Graben im Gespräch. Hier sollte derU-Bahn-KnotenpunktvonU 1,U2 und U 3 entstehen, ein ungedeckter, freier Auf- und Abgang war als Tiefenpendant zum hohen Stephansturm gedacht. Der Aufschrei der Kunstexperten wie der Wiener Bevölkerung brachte dann dieses Projekt zu Fall.

Aus verkehrstechnischen Gründen wird der unterirdische Knotenpunkt nicht verändert. Nach Berechnung des künftigen Fahrgaststromes hat man sich für drei verschiedene Auf- und Abgänge entschieden. Einer wird in die Kärntnerstraße verlegt, ein zweiter auf den Graben. Uber ihre Gestaltung gibt es bereits verschiedene Entwürfe von Architekten, eine Entscheidung wurde allerdings bis jetzt noch nicht gefällt. Überdachte Glaskästen sollen es aber nicht werden.

Der dritte U-Bahn-Ausgang aber soll ausgerechnet vor dem Riesentor liegen, denn vielleicht wäre so ein Loch vor dem Dom gar nicht so übel! Dieses Projekt aber gefiel den Wienern gar nicht. Die Wiener Bürgerversammlung des ersten Bezirks protestierte lautstark, eine Interessengemein schaft von Künstlern erhob ihre Stimme dagegen, der Kunstsenat legte Einspruch ein, sogar der Kardinal wurde beim Bürgermeister vorstellig. Diesmal sollte wirklich nichts versäumt werden! Delegationen, Zeitungsartikel, Versammlungen ließen die Sache nicht auf sich beruhen. Doch allen Einsprüchen zum Trotz: Das Loch am Stephansplatz bleibt, wohl mit der Einschränkung „provisorisch”. Als ob in Wien ein Provisorium nicht 100 Jahre dauern könnte!

Der Grund: Der ominöse Stadtrat Hoffmann hat den Zeitpunkt einer prophylaktischen Enteignung im Haus der Alten Feldapotheke, wohin der Ausgang verlegt hätte werden sollen, schlicht und einfach versäumt. Ein Enteignungsverfahren aber nach Erteilung der Konzession ist angeblich auf gesetzlichem Wege nicht mehr möglich.

Die Kaufleute der Rotenturmstraße fühlen sich durch die Stephansgrube vom Käuferstrom seit Jahren hermetisch abgeschnitten und wollen wenigstens dann, wenn es wieder einen gedeckten Platz gibt, nicht wieder die Benachteiligten sein. Ein Anreiz für die Kunden sollte eben eine U-Bahn- Station in der Nähe der Rotenturmstraße sein. Soweit verständlich. Doch warum muß es ein Loch, wenn auch nur „provisorisch”, vor dem Riesentor geben?

Eine Ablöse der Geschäftslokale käme heute auf 70 Millionen Schilling, wobei Meinl wahrscheinlich mit dem Ausweichlokal der ehemaligen „Linde” zufriedengestellt werden könnte, die Alte Feldapotheke, als Bundeseigentum ohne viel Worte ihren Platz der Gemeinde abtreten würde. Ein Textil-Diskontsupermarkt ist erst vor wenigen Monaten hier eingezogen, auf dieses, vor gar nicht so langer Zeit frei gewordene Lokal hätte von Amts wegen die Hand gelegt werden können. Auch dies wurde verabsäumt. Das Wort des Bürgermeisters Gratz, das er dem Kardinal verpfändet hat, müßte ihm nun, wohl oder übel, 70 Millionen wert sein. - Die Gemeinde ist erbost und fest entschlossen, diese „Spekulanten” auszuhungern. Darum wird nun aus Bestemm, heimlich, still und leise dieses so stark bekämpfte U- Bahn-Loeh doch gebaut. Die Öffentlichkeit muß dann eben vor vollendete Tatsachen gestellt werden.

Bezirksvorsteher Ing. Heinrich Heinz hat nun einen von Technikern geprüften neuen Vorschlag ins Gespräch gebracht: einen Tunnel - er wäre wesentlich kürzer als jener am Karlsplatz - in die Rotenturmstraße zu führen. Er käme sogar wesentlich billiger - etwa 12 Millionen - als eine Ablöse. Die Ladenstraße brächte außerdem der Gemeinde nicht zu verachtende Mieten. Doch wozu, jetzt, da die Baugrube noch offen ist, schon planen oder gar zu bauen beginnen? Warten wir lieber, bis auch die U 3 einmal fährt… Bis dahin bleibt es - auch Bürgerinitiativen und Expertenprotesten zum Trotz - beim Loch vor dem Riesentor, wenn auch einstweilen nur „provisorisch”.

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