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Das Wort aus der Stille

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Man muß lernen, aus einem leeren Becher zu trinken.“ Eine Weisheit besonderer Sensibilität spricht die Dichterin hier aus, die sich durch ihr ganzes Leben zieht. Vor wenigen Wochen wäre Käthe Braun-Prager hundert Jahre alt geworden. Am 12. Februar 1888 wurde sie in Wien geboren, früh begann sie zu schreiben. Fanden ihre ersten Verse auch in Zeitungen und Zeitschriften Aufnahme, so mußte sie doch einen Brotberuf ergreifen. Sie arbeitete in einer Notariatskanzlei und dann bei der Credit-anstalt in Wien. Im Jahre 1917 heiratete sie Hans Prager. Die Creditanstalt verließ sie 1920. Tochter Uli war inzwischen geboren. Gemeinsam mit Hans Nüchtern gründete Käthe Braun-Prager im Radio Wien die „Literarische Frauenstunde“, in der sie bis 1938 wirkte. In diese Zeit fällt auch ihre Freundschaft mit Rose Mayr-eder, einer Vorkämpferin der Frauenbewegung, zu deren 70. Geburtstag sie eine Festschrift veröffentlichte, in der unter anderem auch Selma Lagerlöf und Lou Andreas-Salome zu Wort kamen. Bundespräsident Michael Hainisch schrieb das Vorwort dazu.

Ihren ersten Gedichtband „Bei der Kerze“ gab sie 1929 heraus. Die Jahre der Emigration zwischen 1939 und 1950 zählten zu den schwersten ihres Lebens. Sie und ihr Bruder, der Dichter Felix Braun, waren begeisterte Oster-reicher.

Hier entstanden Werke tiefsinniger, melancholischer Lyrik und Prosa von klarer einfacher Schönheit; aber auch die kunstgewerbliche und die malerische Begabung der Lyrikerin traten ans Tageslicht. Felix Braun analysiert in seinem Essay „Die Bilder meiner Schwester“ die kontemplative Kraft dieser Kunst.

Im Jahre 1949 erschien der Gedichtband „Stern im Schnee“. Er spannt einen weiten Bogen von den frühen Versen über alle Stationen eines reichen Künstlerlebens. „Reise in die Nähe“ ist eine Auswahl aus einem englischen Tagebuch mit trefflichen Aphorismen und Betrachtungen. „Betende Hände - Schwebende Brük-ken zu Gott“: Bilder solcher Knappheit und Innigkeit zeigen die Tiefe des Denkens. Auch ihr Prosawerk gehört zum Besten der österreichischen Literatur, was in dem 1959 erschienenen Novellenband zum Ausdruck kommt. An die reichen Anthologien „Liebe“ und „Buch der Mütter“ wird man nachdrücklich erinnern müssen.

Käthe Braun-Prager schließt sich keiner literarischen Richtung an, vielmehr folgt sie konsequent ihrer Begabung und einer vitalen Beziehung zum Leben. Ihr liebenswürdiges Wesen bringt die

Fähigkeit hervor, sich in Menschenschicksale einzufühlen. Stets das Wesentliche herauszuarbeiten, ist Ziel ihres Schaffens.

Es wäre Pflicht Österreichs, das Werk dieser bedeutenden Dichterin vor dem Vergessenwerden zu bewahren. Wenn wir schon eine nicht sehr aufnahmebereite Mitwelt waren, dann sollen wir wenigstens eine dankbar aufnehmende Nachwelt sein.

Am 18. Juni 1967 hat sie die Augen für diese Welt geschlossen. Von ihrem bescheidenen, stets dem Geistigen zustrebenden Wesen zeugt ihre Grabschrift: Was ich je gedacht und ausgesprochen hat mein dünnes Lebensglas zerbrochen. Was ich nie gesagt, nie aufgeschrieben ist als Glanz von mir zurückgeblieben.

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