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Der Beistand

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“Pfingsten, das liebliche Fest, war gekommen;… Festlich heiter glänzte der Himmel und farbig die Erde.“ Mit diesen Worten läßt Johann Wolfgang Goethe sein Versepos “Reineke Fuchs“ beginnen. Und in der Tat ist dieses Fest in der Regel vom schönen Wetter des erwachten Frühlings begleitet und begünstigt.

Doch Pfingsten ist nicht in erster Linie ein Fest der Natur, sondern ein solches des Geistes, ja des heiligen Geistes. Der große deutsche Philosoph Georg Friedrich Wilhelm Hegel hat das Pfingstfest als das höchste der Christenheit bezeichnet und gerühmt. Und wenn diese Charakterisierung auch nicht mit der offiziellen kirchlichen Hierarchie der Festtage übereinstimmt, so verweist sie doch auf eine unbestreitbare theologische Wahrheit: daß nämlich alle anderen Feste in der Luft hängen würden und das gesamte Erlösungswerk unvollständig geblieben wäre, wenn der Kirche nicht der Beistand des Geistes verheißen und verbürgt worden wäre. Erst der Geist stellt sicher, daß die Christenheit - trotz aller Irrtümer und Fehlentwicklungen im einzelnen - im ganzen nicht in die Irre geht, sondern vom Geist erleuchtet und geführt bleibt.

Und auch der menschliche Geist, der sich außerhalb der Kirche und der christlichen Gemeinde manifestiert, ist nur so weit von Wert und Bestand, als er vom heiligen Geist Gottes getragen und inspiriert wird. Nur der Geist Gottes, der vom Himmel herabgesendet wird, schafft Einheit, Weisheit undversöhnt, was getrennt und vereinzelt ist.

Das Pfingstwunder, daß alle einander verstanden, obwohl sie verschiedene Sprachen sprachen, setztsichüberalldort fort, wo dieser Geist am Werk ist. Der Ungeist hingegen, der die Menschen, auch gleicher Zunge, einander nicht verstehen läßt, reißt auseinander und vereinzelt. Und der heilige Geist ist, obwohl er in großen Einzelpersönlichkeiten und Heiligen besonders wirkt, nicht dem isolierten Individuum, sondern der versammelten Gemeinde und der Kirche als dem werdenden Gottesreich verheißen.

Der Geist, der weht, wo er will, läßt sich nicht kommandieren und herbeizwingen. Er läßt sich aber auch nicht ins Handwerk pfuschen und setzt sich auch gegen den Zeitgeist, der ihm widerstreitet, durch.

Ohne den Geistund die Gnade, die er vermittelt, sind auch die übrigen Güter, wie Gesundheit und Geld, nichts wert und ‘

führen nicht zum menschlichen Glück und zur vollendeten menschlichen Gestalt. All dies will am Pfingstfest bedacht sein, damit der Pfingstgeist Einzug in uns halte und. immer bei uns bleibe.

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