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Der Diener Gottes soll kenntlich sein

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Papst Johannes Paul II. hat den Priestern seines Bistums empfohlen, sich künftig in der Öffentlichkeit nur in der traditionellen Kleidung zu zeigen. Man soll sie sogleich erkennen können als Diener Gottes und der Kirche, die „zwar in der Welt leben, aber nicht von dieser Welt sind“. Auch dem Jesuitenorden ist eine entsprechende Mahnung zugegangen, ebenso einigen Oberinnen römischer Schwesternhäuser. Die FURCHE übernimmt auszugsweise die Stellungnahme des Münchner Ordinarius für Publizistikwissenschaften aus dem „Rheinischen Merkur“ und bittet um Diskussionsbeiträge dazu.

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Papst Johannes Paul II. hat den Priestern seines Bistums empfohlen, sich künftig in der Öffentlichkeit nur in der traditionellen Kleidung zu zeigen. Man soll sie sogleich erkennen können als Diener Gottes und der Kirche, die „zwar in der Welt leben, aber nicht von dieser Welt sind“. Auch dem Jesuitenorden ist eine entsprechende Mahnung zugegangen, ebenso einigen Oberinnen römischer Schwesternhäuser. Die FURCHE übernimmt auszugsweise die Stellungnahme des Münchner Ordinarius für Publizistikwissenschaften aus dem „Rheinischen Merkur“ und bittet um Diskussionsbeiträge dazu.

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Die Frage der Priesterkleidung hat nichts mit Dogmatik, Sittenlehre, hierarchischer Struktur zu tun. Aber diese Frage ist alles andere als nebensächlich, und daß man sie kaum erörtern kann, ohne gereizte Antworten zu bekommen, spricht dafür, daß diese Äußerlichkeiten mit einem wunden Punkt im Inneren korrespondiert ...

Wer an einem beliebigen Audienztag auf dem Petersplatz in Rom die Pilger- und Touristenscharen und die sie begleitenden Priester beobachtet, erlebt manche Überraschung. Von der fransig ausgerissenen Jeans-Hose bis zur reichbestickten afrika-

„Der römische Kragen weist konservative bis traditionalistische Gesinnung aus, das Silberkreuz am Revers die gemäßigte Mitte“

nischen Stammestracht mit selbstgeschnitztem Anhänger, vom modegerechten Tropicana-Sacco bis zum Clochard-Look gibt es da viele Zeugnisse einer lebhaften Phantasie zu sehen. Der römische Kragen weist konservative bis traditionalistische Gesinnung aus, das Silberkreuz am

Revers die gemäßigte Mitte. Wenn es eine begabte und effiziente Regie darauf abgelegt hätte, zu demonstrieren, daß die römisch-katholische Kirche nicht mehr über eine „acies ordinata“ klerikaler Kader verfügt, hätte sie es nicht besser anstellen können.

Der Papst kann mit seinem Monitum auf das Verständnis weiter Kreise im Kirchenvolk und darüber hinaus rechnen. Es sind oft nicht einmal die ganz regelmäßigen Gottesdienstbesucher, die am Wildwuchs der letzten Jahre Anstoß nehmen ... Eher sind es jene, die in der Kirche vor allem ein Dienstleistungsunternehmen sehen, das sich um das Menschliche im Menschen kümmert, um das, was in der Alltagshetze sonst nicht beachtet und geschützt zu werden pflegt. Sie zahlen willig ihre Kirchensteuer, obwohl sie von den Heilsangeboten dieser Institution nur einen spärlichen Gebrauch machen; sie wollen aber gewiß sein, daß sie den Funktionär dieser Kirche im Ernstfall zuverlässig ausmachen können, wenn sie ihn einmal brauchen - oder gerade nicht brauchen können.

Wer im Omnibus ein angeregtes Gespräch mit einem Unbekannten geführt hat, der ihm, nach einiger Zeit, mit feinem Lächeln eröffnet, er sei katholischer Priester, fühlt ein

gewisses Unbehagen, bis er im Gedächtnis rekapituliert hat, was er ihm wohl alles gesagt haben mag. Irgendwie kommt er sich getäuscht vor... ,

„Die Kennzeichnung des Priesters kann auch auf andere Form als durch Kragenform oder Anzugschnitt erreicht werden“

Aber das ist nicht der wichtigste Grund, der für eine Priesterkleidung besonderer Art spricht. Zu den Aufgaben der Kirche gehört es, die Menschen darauf hinzuweisen, daß es in ihnen und in ihrem Leben nicht nur Irdisches geben sollte, daß sie die „religiöse Dimension“ nicht vergessen dürfen, daß Gott existiert und Rechte auf den Menschen hat. Wie Kirchtürme auch heute nicht funktionslos sind, weil sie auf den Himmel zeigen, hat die Priesterkleidung die Aufgabe, an das Höhere zu erinnern, dem die Träger dieser Kleidung ihre Dienste geweiht haben.

Wenn die Kirche darauf verzichtet, ihre Priester und Ordensleute kenntlich zu machen, begäbe sie sich eines

wichtigen, ja unersetzlichen Mittels ihrer Selbstdarstellung. Jedermann kann in Wahlzeiten beobachten, wie Parteien sich durch die optischen Zeugnisse ihrer Anhänger präsent zu halten suchen ... Wer sich den Augen nicht einprägt, wer nicht in Erscheinung tritt, wer sich versteckt, der entschwindet alsbald dem Bewußtsein der anderen, der ist für sie nicht mehr vorhanden, der braucht auch nicht „berücksichtigt“ zu werden. Man wundert (und ärgert) sich, wenn er sich plötzlich zu Wort meldet...

Nur wer keine Ahnung von den Gesetzen hat, nach denen „öffentliche Meinung“ sich bildet, nach denen ein „Meinungsklima“ entsteht und sich, verändert, nach denen die Menschen ihre Umwelt einschätzen und sich demgemäß in ihr verhalten, wird die Frage der Priesterkleidung so gering bewerten. Ob die Farbe der Beerdi-

gung, der Staatsakte und der Theaterpremieren unbedingt wieder die Farbe der Kirche sein muß, steht auf einem ganz anderen Blatt. Die Kennzeichnung des Priesters, der „zwar in der Welt lebt, aber nicht von dieser Welt ist“, kann auch auf andere Weise als durch Kragenform oder Anzugschnitt erreicht werden, obzwar nicht zu verkennen ist, daß viele Probleme sich verflüchtigen, wenn es eine Kleidung gibt, die bei allen Gelegenheiten „richtig“ ist. Ein kleines Kreuz am Jackett würde schon den Widerspruch beseitigen, den manche Laien darin erblicken, daß sie unaufhörlich zum apostolischen Zeugnis in Familie, Schule, Beruf und Öffentlichkeit aufgefordert werden, während sich manche der geweihten Zeugen des Wortes in die Unverbindlichkeit des Jedermannsanzugs begeben, ohne dajnit Anstoß bei ihren Oberen zu erregen ...

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