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Der Mann, der Puchberg aufbaute

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In Schloß Puchberg ging eine Ära zu Ende. Monsi-gnore Karl Wild übergab die Leitung des Bildungshauses an Ernst Bräuer, den bisherigen Hoch-schulseelsorger.

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In Schloß Puchberg ging eine Ära zu Ende. Monsi-gnore Karl Wild übergab die Leitung des Bildungshauses an Ernst Bräuer, den bisherigen Hoch-schulseelsorger.

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Für einen, der von der ersten Stunde an neben Josef Gruber mit Rektor Wild war, ist es nicht leicht, zu beschreiben, was ihn jetzt bewegt. Es geht auf alle Fälle die Ära Wild zu Ende. Wer „Puchberg“ denkt, denkt auch „Wild“. 32 Jahre Puchberg, das heißt auch 32 Jahre entscheidende Impulse für das Leben in der Kirche in Oberösterreich.

Das äußere Wachstum des Hauses ist leicht beschrieben: Der damalige Diözesanseelsorger der Katholischen Landjugend, Pfarrer Karl Wild, der 1950 von seiner Pfarre St. Johann am Wald nach Linz gezogen ist, um die Landjugendseelsorge wahrzunehmen, erhielt auch den Auftrag, ein Volksbildungsheim aufzubauen. So begann Pfarrer Wild schon 1950 mit der Suche nach einem geeigneten Haus. Dabei mußte er auch gegen Vorurteile einzelner Verantwortungsträger der Kirche argumentieren und sie überzeugen, daß ein solches Haus notwendig war. Im Verein mit „seinem Heiligen“, dem heiligen Josef, hat er natürlich gesiegt.

Am 31. Oktober 1953 erhielt das Bildungshaus Schloß Puchberg, damals Volksbildungsheim. Puchberg, die offizielle kirchliche Bestimmung.

Rektor Wild lehrte uns: Wenn man Menschen bilden will, muß man sich mit ihren Nöten und Sorgen, aber auch mit ihren Freuden und Hoffnungen identifizieren. Gerade im Hinblick darauf war ihm das Gespräch mit allen Menschen ein Bedürfnis. Er sagte oft: Es interessiert mich wirklich, was dieser oder jener denkt, wie es ihm geht, was mit ihm los ist! Dazu kommt bei ihm die ganz besondere Fähigkeit, für die Menschen Zeit zu haben. Kaum jemand merkte einmal, unter welchem Zeitdruck er manchmal stand.

Er hatte auch immer ein besonderes Gespür für Menschen. Vielen hat er zur Entfaltung, zum Ausbau ihrer Fähigkeiten und einem geeigneten Aufgabengebiet verholfen. Den Menschen annehmen, so wie er ist, das kann man von Rektor Wild lernen. Das heißt nicht, daß er Lebenseinstellungen und Argumenten, die ihm falsch schienen, zustimmte. Darüber wurde diskutiert — bei den Tagungen, in der Bar, halbe Nächte und über Jahre hinweg. „Jeder Teilnehmer und auch jeder Referent muß grundsätzlich das Recht und die Möglichkeit haben, das, was er denkt und fühlt, hier im Haus zu sagen, ohne daß er diskriminiert wird, er muß aber auch bereit sein, Gegenargumente zur Kenntnis zu nehmen.“ Puchberg als Haus des Gespräches ist wesentlich durch die Geistigkeit, die

Rektor Wild ausstrahlt, gewachsen.

Er selbst hat die Ziele seiner Tätigkeit in Puchberg formuliert: „Wir haben uns zum Ziel gesetzt, den Menschen, die zu uns kommen, Hilfen für ein geglücktes Leben anzubieten. Das heißt: Der Mensch muß sein Leben selbst leben, er muß Entscheidungen treffen, er muß Wissen annehmen. Glücken wird sein Leben dann, wenn er sich in vier Bereichen entsprechend verhält. Es geht um die eigene Person, um die Mitmenschen, um Gott und die Welt der Dinge. Das Leben eines Menschen kann nur glücken, wenn er in diesen vier Bereichen das notwendige Wissen, den Einblick in die Zusammenhänge hat, und wenn er sich diesem Wissen entsprechend verhält. Notwendig ist: rechtes Wissen und rechtes Verhalten. Zum Verhalten des Menschen bringt die Bibel eine recht einfache Norm: Du sollst Gott lieben und deinen Nächsten wie dich selbst. Du sollst liebend umgehen mit Gott, mit dir selbst, mit deinen Mitmenschen und mit der Welt. Diese kurze Norm wäre wohl Lösung vieler, wenn nicht sogar aller Probleme...“

Der Geist des Hauses wurde durch Rektor Wild von dem Ort geholt, wo letzte Kraft, Kreativität und Phantasie zu holen ist: von der Liturgie. Wer immer mit ihm die Messe feierte—und wie konnte er böse und grantig werden, wenn die Messe nicht ernsthaft genug vorbereitet war, oder wenn jemand versuchte, sie so quasi an eine Veranstaltung nur anzuhängen! — hat einen tiefen Eindruck empfangen, weil er einen Priester erlebte, der gläubig und überzeugend das Gedächtnis Jesu feierte. Die Jugendlichen des Bildungskurses 1984, bei dem durch den 77jährigen Rektor Wild täglich die Messe angeboten, der Besuch den Teilnehmern aber selbstverständlich freigestellt wurde, haben in überwiegender Mehrheit diese Messe mitgefeiert.

Bei der Kurskritik wurde die Messe mit Rektor Wild mit Abstand als „Spitze“ bezeichnet. An Rektor Wild konnte man die Einladung Jesu an die suchenden Jünger mit den Worten „Kommt und seht“ erfahren. Die Kirche, so sagte er immer, muß eine offene Kirche sein, eine Kirche der Einladung. Immer war er bemüht, den christlichen Glauben so zu leben und zu vermitteln — in unzähligen Veranstaltungen, Vorträgen und Artikeln-, daß die Menschen, die auf der Suche sind, im Evangelium eine „frohe Botschaft“, ein Angebot für ihr Leben erkennen konnten.

So konnte er auch oft nur milde lächeln, wenn ihn fallweise Menschen, die ihn hörten und ihm begegneten, bekannten: „Herr Rektor, Sie haben ja einen überzeugten Glauben, Sie sind ja gar nicht herätisch, wie von Ihnen immer berichtet wird!“ 4

Solche Meinungen entstanden im Lauf seiner Tätigkeit in Puchberg immer wieder dann, wenn er neue Gedanken aufgriff und Anstöße zum Umdenken gab.

Die Ablöse als Rektor bedeutet jedoch nicht auch den Abschied vom Haus Puchberg. Er wird weiter die Bereiche Kunst, Kunstfahrten und Senioren betreuen — wie wir hoffen - noch sehr lange.

Der Autor ist Präsident der Katholischen Aktion Österreichs und Direktor des Bildungshauses Puchberg.

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