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Der Wolf ist zahm geworden

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Der legendäre einstige ostdeutsche Geheimdienstchef Markus Wolf ist also in Österreich festgenommen worden. Er hat einen Asylantrag gestellt, dessen Behandlung sicher ein paar Wochen dauern wird. Indes kann Wolf Werbung für sein neues Buch betreiben. Geheim natürlich. Es heißt „In eigenem Auftrag" und enthält vorgeblich Bekenntnisse und Einsichten.

Der 68jährige „Mischa" Wolf war von 1951 bis 1987 im Ministerium für Staatssicherheit der DDR tätig, zuletzt als Leiter der Hauptverwaltung Aufklärung und stellvertretender Minister. Und was hat er da gemacht? „Zur Erhaltung des Gleichgewichts und zur Konzipierung von Sicherheitssystemen zwischen den Blöcken beigetragen." In der Tat, so liest man's in diesen Erinnerungen, in denen er auch behauptet, der „Fall Guilleaume" sei ihm sozusagen passiert. Sein Spion sei eher zufällig und nicht gezielt in die Nähe Willy Brandts gekommen, nur habe man halt dann der Versuchung nicht widerstehen können...

Wolf schreibt in diesem Buch über das für „seine" DDR so dramatische Jahr 19#9 in Form eines Tagebuches. Er hatte sich zum Anhänger Gorbatschows gewandelt, war damit nicht auf der offiziellen Parteilinie und gibt eigentlich keine Antwort auf die Frage: „Ob das, was ich tat, nicht viel zu zaghaft, zu zahm, viel zu spät gedacht und begonnen war." Merkwürdig auch, gerade aus diesem Mund, der Rat an junge Leute, in schwierigen Situationen entsprechend seinem Gewissen zu handeln „und auch bei zu erwartenden Schwierigkeiten den Mut aufzubringen, die eigene Meinung zu vertreten."

Markus Wolf beklagt vor allem „die wahllose Verteufe-lung" der Staatssicherheit, der er so erfolgreich und so lange gedient hatte. „Sollen Haß und Zwietracht unser Leben begleiten?", fragt er treuherzig. Die Bekenntnisse und Einsichten sind überhaupt vor allem Fragen: „Ist das Leben umsonst gelebt, der Sozialismus tatsächlich am Ende?" Das freilich glaubt Markus Wolf nicht. Er verabschiedet sich von seinem sozialistischen Traum „zumindest für die absehbare Zukunft", von der glanzvollen Zukunft der Geheimdienste aber ist er überzeugt: „Für lange Zeit werden sie immer noch das einzige Mittel sein, um in besonders sensiblen Fragen die notwendigen zuverlässigen Informationen zu beschaffen und Kontrolle zu gewährleisten."

Wer will, kann zwischen den Zeilen auch herauslesen, daß man bei der künftigen Zusammenarbeit der Geheimdienste eventuell auch auf „Mischa" Wolf zurückgreifen sollte. Er weiß ja ziemlich viel. Und wie sagt der Volksmund so richtig: „Die Kleinen hängt man, die Großen läßt man laufen."

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