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Der Wüstling
„Meine Güte, was wißt ihr Ver- heirateten denn schon vom Leben?" sagte Herr Smitek. „Ihr sitzt zu Hause in Pantoffeln, trinkt euern halben Liter Bier, und um zehn Uhr: gute Nacht, ihr zieht das Federbett bis ans Kinn und schnarcht. Das nennt ihr Leben."
„Sie haben gut reden, Herr Smi- tek", wandte Herr Rous ein, „Sie können von Ihrem Gehalt wie ein
Fürst leben. Aber wenn Sie eine Frau und ein paar Bälger ernähren müßten..."
„Wo denken Sie hin", brummte Herr Smitek angewidert, „von meinem Gehalt! Wie sollte ich von meinem Gehalt leben können? Das reicht nicht mal für Trinkgelder. Es gibt Lokale, wo Sie dem Pikkolo nicht weniger als fünfzig Kronen geben müssen. Und der Kapelle? Mein Lieber, Sie legen einen Tau- sender auf den Teller, und niemand verzieht auch nur eine Miene."
„Was Sie nicht sagen, Herr Smi- tek", meinte Herr Kroll, „tausend Kronen für die Musiker, sowashabe ich noch nicht gehört; dann sind Sie aber schön dumm, wenn Sie denen für ihr bißchen Gefiedel soviel bezahlen."
„Hören Sie", versetzte Herr Smi- tek, „das verstehen Sie nicht. So ein Musiker tut nur, als schaue er in die Noten, dabei beobachtet er, mit wem Sie sitzen, was Sie tun, wor- über gesprochen wird, wieviel dabei herauszuholen ist und so weiter. Macht er so mit dem Daumen, be- deutet das: Zahle, dann werde ich schweigen. So ist das, mein Bester."
„Das sind Halunken", sagte Herr Kroll staunend.
„Und ob. Sehen Sie, Herr Rous, heute könnten Sie keine einzige Krone aus mir herausschütteln; und heute abend soll ich auf Ehrenwort zwölftausend bezahlen. Aber ihr Verheirateten denkt, ihr hättet wunder was für Sorgen, wenn ihr dem Krämer hundertzwanzig Kro- nen schuldet."
„Zwölftausend?" meinte Herr Rous. „Menschenskind in Ihrer Haut möchte ich nicht stecken."
„Ach was." Herr Smitek gähnte genießerisch. „Man erlebt wenig- stens etwas. Mein Lieber, letzte Nacht zum Beispiel... Ich kann Ihnen sagen! Herrschaften, ist das ein Leben..."
„Aber Schulden", versetzte Herr Kroll streng, „Schulden sollten Sie nicht machen; wenn Sie Wucherern in die Hände fallen, sind Sie erle- digt. Das ist sicher."
„Schulden", sagte Herr Smitek sorglos, „sind nicht schlimm; Hauptsache, man hat Beziehungen.
„Was tut's", sagte Herr Smitek mit sündhaftem Leichtsinn. „Hauptsache, ich koste mein Leben aus."
Am selben Abend kaufte sich Herr Smitek ein Stück Pastete und hun- dert Gramm Edamer, ging nach Hause und kochte sich Tee. Das Stück Pastete und die Käserinden bekam seine Katze Lizinka; dann fuhr sich die Katze mit der Pfote über das Gesicht und wollte hin- aus.
„Du Luder, du leichtsinniges Biest", schalt sie Herr Smitek, „willst du schon wieder herum- streunen? Sitz nur schön zu Hause; was fehlt dir hier? Du bist doch alt
„Ah ahahah", gähnte Herr Smi- tek am nächsten Tag, „verdammtes Leben! Leute, war das wieder eine Nacht! Seht mal diesen Kratzer hier", sagte er und zeigte seine Hand, „ich sage euch, das Mädchen - eine Russin, Lizinka hieß sie -, die war wie eine Wildkatze; wie wild war die... Ihr Pantoffelhelden, was wißt ihr schon, wie das Leben ist? Ach, wenn einem auch Zuchthaus oder Tod drohen, Hauptsache, man lernt das Leben kennen! Aber ihr... Laßt mich bloß in Ruhe mit eurer spießbürgerlichen Moral!"
Aus:FABELN und Kleingeschichten. Von Ka- rel Capek.Aufbau-Verlag, Berlin-Weimar 1986.270 Seiten, öS 122,40
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