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Die Geliebte

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In der vergangenen Woche haben bei uns die Wogen der Entrüstung so hoch geschlagen, daß wir schon beinahe vor der Springflut kapitulierend ausrufen hätten müssen: „Land unterl“ Der Grund dafür war, daß das Magazin „Stern“ erstmals schamlos veröffentlicht hat, was zumindest in München fast jeder wußte: Franz Josef Strauß hatte eine Geliebtel Und wenn er nicht kurz vorder schon angesetzten Hochzeit gestorben wäre, hätte er sie im letzten Spätherbst geheiratet.

Das hätte Euch dann tief bewegt, denn seine hinterblie-bene Freundin ist eine Salzbur-gerin, und wäre sie unsere bayerische Landesmutter geworden, hätte der Jubel der Österreicher über diesen dynastischen „Anschluß“ bis heute kein Ende genommen.

Da seine Freundin, Frau Renate Piller, geschieden war, mußte sie erst in Salzburg und Rom die Annullierung ihrer kirchlichen Ehe betreiben. Ein bayerischer Ministerpräsident kann schließlich nicht einfach standesamtlich heiraten-ohne Verluste an oberhirtlichem Wohlwollen und an katholischen Wählerstimmen. Die Kirche tat zwar ihr Bestes, aber nicht ihr Schnellstes, so daß die Annullierung der Püler-Ehe erst rund eine Wochevor Straußens Tod eintraf.

Nun hatte ja weder im liberalen noch im konservativen Bayern irgendjemand etwas dagegen, daß. ein lebenslustiger, vitaler alter Witwer rund um die 70 Jahre noch eine Gefährtin findet, die ihm seinen Lebensabend angenehmer macht Jm Gegenteil: Alle in der Münchner Schicky-Micky-Gesellschaft, die Bescheid wußten, wandten sich beflissen an die Freundin an.

Ihr Unglück war nur, daß ihr nicht nur der Hochzeiter wegstarb, sondern daß Franz Josef Strauß nach seinem Tod fast postwendend zur Ehre der Altäre erhoben wurde.

Die noblen Söhne und Erben eines großen Vermögens haben der letzten Lebensgefährtin des Vaters „großzügig“ einen Spesenersatz von 10.000 Mark erstattet. Sie selbst haben die Strauß-Memoiren für weitere 2,1 Millionen Mark an den „Spiegel“ verkauft.

Darum hat sich die unter den Teppich der Strauß-Gloriole gekehrte Geliebte letzte Woche in Erinnerung gebracht und für geschätzte 150.000Mark harmlose Anekdoten aus der Zeit der späten Liebe des FJS an den „Stern“ verkauft.

Alle Boulevardzeitungen haben die Plaudereien ausgeschlachtet. Und die Strauß-Söhne haben sich vor heuchlerischer Entrüstung aufgeführt, als hätte sie wirklich posthum einen Heiligen ermordet und vom Sockel gestürzt. Einen „Heiligen “freilich, der nie einer ^war und nie einer sein wollte. Einen, den zu Lebzeiten alle als potenten bayerischen Barockfürsten bewundert hatten.

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