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„Die schweigsame Frau“

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Das Linzer Landestheater hält an einer Tradition fest. Wieder wurde die neue Spielzeit mit einer Erstaufführung für Linz eröffnet. Die Novität ist heuer zugleich eine Rarität auch anderer Bühnen, weil „Die schweigsame Frau“ eben Seltenheitswert besitzt, soferne es sie überhaupt geben sollte. Es gibt sie — zumindest auf der Theaterszene — durch Stefan Zweig, der die 1609 von dem Shakespeare-Zeitgenossen Ben Jonson geschriebene Komödie in ein köstliches Liberetto umwandelte, und durch Richard Strauss, dem es einmal gefiel, nach dem Ideal der alten opera buffa eine komische Oper zu schreiben. Weniger gefiel das Produkt den politischen Machthabern seiner Zeit, und sie versuchten, die Uraufführung 1935 in Dresden unter Karl Böhms Leitung dadurch zu boykottieren, daß der emigrierte Jude Stefan Zweig auf den Programm ungenannt bleiben sollte. Strauss protestierte auch schriftlich heftig dagegen, was allerdings nur vorübergehend nützte, denn die Nationalsozialisten ließen die Oper nach der dritten Vorstellung absetzen. 1959 eroberte sie die Salzburger Festspiele erneut unter Karl Böhm zurück, Wien folgte 1968, jedoch ohne Aussicht auf ein Repertoirestück, weil sich die unter allen Strauss-Werken ausgesprochenste Ensembleoper vielleicht weniger für die an Häusern solcher Größenordnung üblichen Umsetzungen eignet. Eher zum Schweigen hat also das Schicksal „Die schweigsame Frau“ veurteilt. Das ist wahrlich sehr schade. Der Text sprüht von Geist und Witz, die Partitur zeigt den Meister der Instrumentationskunst von hohem Erfindungsgeist. Freilich in der Musik, für die Strauss fleißig Anleihen bei sich selbst machte, begegnet man alten Bekannten aus früheren Opern. Die oft zitierten Parallelen zu Donizettis „Don Pas-quale“ verdrängt etwa ein „Ochs von Lerchenau“, „Zerbinetta“ und „Elektra“ — um nur zwei Beispiele zu erwähnen — feiern Ungeniert Auferstehung.

Linz hat sich mit der Erstaufführung dieser entdeckungswürdigen und pflegebedürftigen Oper besondere Verdienste erworben. Die musikalisch — und was hier noch wichtige^ ist als sonst — schauspielerisch soliden Leistungen rechtfertigen das Unternehmen und garantieren für den Premierenerfolg. Der neue Opernchef, Theodor Guschlbauer, formte das Bruckner-Orchester zu einem homogenen Kammermusikensemble, Chordirektor Ernst Dunshirn erzog sein Team zu einem erstaunlich flexiblen Mitagieren, Alfred Schönolt inszenierte risikolos nach den natürlichen Fähigkeiten der Darsteller und Heinz Köttel übertraf sich selbst in dem seemannsträchtigen Bühnenbild.

Den alten von seiner Heiratslust kurierten Sir Morosus gestaltet profiliert Zdenek Kroupa; für seine Artikulation gebührt dem Ausländer ein Sonderlob. Leichter fällt die sprachliche Präzision Paul Wolfrum, der obendrein musikalische Intelligenz besitzt, oder Helga Wagner, der in der Rolle der Haushälterin eine köstliche Studie gelungen ist, oder Margit Neubauer, die als Carlotta neben der Isotta Jean-Anne Teals durch ihre Präsenz auffällt. Die Perserin Nassrin Azarmi gastiert als Aminta tapfer im Kampf gegen den Text und in der Bewältigung virtuoser Koloraturentöne. David Gordon als Henry Morosus ist neu im Ensemble, was leider nicht zu überhören und -sehen ist. Sein lyrischer Tenor ist klein, noch kleiner sein mimisches Talent. Lorenz Myers, Winfried Walk und Peter Pianella amüsieren durch ihre Verkleidung und Verwandlungskünste.

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