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Er ist auferstanden

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„Sie feiern die Auferstehung des Herrn“, so kennzeichnet Goethe im „Faust“ die .geputzten Menschen“, und er begründet ihre festliche Stimmung auf dem traditionellen Osterspaziergang: „Denn sie sind selber auferstanden... sie sinH alle ans Licht gebracht.“ So verbindet das Osterfest die Freude des gesicherten Bewußtseins, daß Christus lebt, mit der Freude an dein frühlingshaften Erneuern der Natur, das auch die Menschen „auferstehen“ läßt.

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„Sie feiern die Auferstehung des Herrn“, so kennzeichnet Goethe im „Faust“ die .geputzten Menschen“, und er begründet ihre festliche Stimmung auf dem traditionellen Osterspaziergang: „Denn sie sind selber auferstanden... sie sinH alle ans Licht gebracht.“ So verbindet das Osterfest die Freude des gesicherten Bewußtseins, daß Christus lebt, mit der Freude an dein frühlingshaften Erneuern der Natur, das auch die Menschen „auferstehen“ läßt.

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Die religiöse Bildkunst des Mittelalters hat lange Zeit — über ein Jahrtausend — nicht den Ausdrucksgehalt gefunden, das Mysterium der Auferstehung und die Epiphanie, die Erscheinung des Auferstandenen, zu veranschaulichen. Das bedeutsamste Dogma des christlichen Glaubens, durch das sich das göttliche Wesen des Heilands offenbart, ist in der biblischen Überlieferung bekanntlich nur indirekt fundiert. Der Evangelist Matthäus berichtet von einem Erdbeben und von dem Engel des Herrn, der den Stein vom Grabe wälzte und den Frauen sodann bekundete, der Gekreuzigte sei auferstanden. Ähnlich spricht „ein Jüngling in weißem Gewand“ im Evangelium des Markus zu den Frauen, die das Grab aufsuchen. Nach der Darstellung des Johannesevangeliums erleben Petrus und Johannes, daß das Grab leer ist, Maria jedoch erblickt den Meister in verklärter Körperlichkeit vor sich und hört ihn sagen, er werde „zu seinem Vater auffahren“.

Uberaus eindrucksvoll erlebt der Besucher des Golfs von Neapel zur Osterzeit als kirchlichen Brauch die „processione del Cristo morto“. Seit mehr als vier Jahrhunderten, das heißt wahrscheinlich unter dem Einfluß der Spanier, die damals die Herrschaft ausübten, hat sich in der Settimana santa, der Heiligen Woche, eine festliche Tradition erhalten, die sich in Sorrent als Volksschauspiel im besten Sinne darbietet und von der Confraternitä della Morte, der „Brüderschaft vom Tode Christi“, gepflegt wird. Die ganze Stadt nimmt Anteil, für zahllose Fremde ist es Attraktion, wenn in der Nacht des Giovedi Santo die Osterprozes-sion beginnt. Mit den Gottesdiensten soll sie den echten Sinn des Osterfestes und auch der Prozessionen bestätigen: Sie soll letztlich nicht ein corteo funebre, ein Trauerzug sein, sondern ein corteo trionfale. Und dieser Triumph des resurrezione, der Auferstehung, überstrahlt den Passionsgedanken des Osterfestes als innere Sinngebung.

Dieselbe Idee des Triumphes ist es, die den zum Sterben entschlossenen Doktor Faust zum Leben zurückruft. Im Glockenklang, der „des Osterfestes erste Feierstunde“ ankündigt, vernimmt er aus dem Chor der Engel die jubelnde Bestätigung der Überwindung des Todes:

Christ ist erstanden! Freude dem Sterblichen, den die verderblichen, schleichenden, erblichen Mängel umwanden.

„Die Erde hat ihn wieder“ — auf dem Osterspaziergang kann der „auferstandene“ Gelehrte sich dem „bunten Gewimmel“ anschließen und mit ihm bekennen: „Hier bin ich Mensch, hier darf ich's sein.“

Nach dem Bericht des Evangelisten, der gleichsam visionär erscheint, ist niemand Zeuge der leibhaftigen Auferstehung Christi gewesen. Das mystische Geheimnis wird erst aus den Erscheinungen der auf Ostern folgenden 40 Tage offenkundig. Das macht die bildenden Künstler des frühen Christentums zurückhaltend gegenüber dem überirdischen Vorgang selber und erlaubte ihnen nicht, das geheimnisvolle Ereignis der Uberwindung des Todes, das nur der Glaube bewahrt, anders als in sinnbildlicher Ausdeutung darzustellen.

Erst im Hochmittelalter tritt der Auferstandene selber als Gegenstand der Gestaltung in den Vordergrund der religiösen Bildkunst. Die Aussagen des Neuen Testaments können solcher Gestaltung nicht als „historische Beweise“ gelten — sie erweisen sich „nur“ als Glaubenszeugnis der Evangelisten aus dem Geist ihrer Zeit und rufen den darstellenden Künstler zu eigener Glaubensentscheidung auf, sich in das Geheimnis einzufühlen. Im Bereich der plastischen Kunst findet sich deshalb keine Skulptur mit dem Auferstehungsmotiv.

So deutet sich die Darstellung bei Hans Memling, so auch in den zahlreichen Gestaltungen jener Zeit, bei Fra AngeUco 50 Jahre vor Memling, bei Albrecht Altdorfer, auf Dürers großer Holzschnittpassion von 1510. Auf Grunewalds Isenheimer Altar erscheint der Auferstandene als wahrer Lichtgott, der schwerelos diese Welt überwindet. EI Grecos Gemälde um 1600 erweist sinnfällig das Bestreben, die Auferstehung im Geiste nachzuvollziehen — nicht in plastischer Körperlichkeit, sondern als Spiegel des Wunders. So zeigt sich auch Rembrandts Darstellung von 1639, in der der Auferstandene von einer in gleißendes Licht getauchten Engelsgestalt aus der Grabesnacht befreit wird.

Allen Darstellungen gemeinsam ist die Bestürzung der Wächter am Grabe, die nach der biblischen Angabe „vor Schrecken wie tot“ waren. Ihr Verhalten kennzeichnet die Wirkung des übersinnlichen Ereignisses auf den Menschen. Hier stellt sich die Malerei in den Dienst der Religion.

Die Kunsthalle zu Hamburg besitzt aus der Zeit um 1424 ein Auferstehungsgemälde aus der Passionsfolge am Thomasaltar des Meisters Franke in ganz eigenständiger Gestaltung. Hier ist das Wundergeschehen noch nicht vollzogen. Christus, vom Beschauer halb abgewandt, steigt in menschlichen Mühen aus dem steinernen Sarg, die Rechte auf dem Rand, die Linke auf die Kreuzesfahne gestützt.

Ganz neuartig ist Tintorettos Darstellung, in der der Auferstandene, von Engeln aus der steinernen Einbettung befreit, sieghaft und in vergeistigter Schönheit zur Höhe schwebt.

Kreuzigung und Auferstehung sind in wachsendem Maße das „Ärgernis“. Aber auch wo sich die Geister scheiden — gemeinsam bleibt dem Oster-motiv dabei die Bejahung des Lebens als Sieg über den Tod und die Freude an der ewigen Erneuerung.

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