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ERZIEHUNG ZUM EUROPAER

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Das Projekt Europa kann nur gelingen, wenn seine Bürger überzeugt sind, daß die wirtschaftliche und politische Integration richtig ist.

Das für die „europäische Sache" notwendige öffentliche Bewußtsein ist eine Herausforderung an die Bildungspolitik, womit wir schon in der Schule angelangt sind. Dort nämlich soll nach der erklärten Absicht der EG-Bildungsminister die Erziehung der jungen Menschen zu einer „europäischen Identität" beginnen.

Dabei werden von den Bildungspolitikern auch die Wege zur kulturellen Annäherung genannt: Förderung der Fremdsprachen, Einbeziehung der europäischen Dimension in die Lehrpläne aller dafür geeigneten Fächer, einschlägiges Unterrichtsmaterial sowie entsprechende Lehreraus-und -fortbildung, Austauschaufenthalte und grenzüberschreitende Schulpartnerschaften sollen die Europa-Erziehung auf die Beine stellen.

Weil die Europäische Gemeinschaft auf dem Gebiet der (Allgemeinbildung und Kultur aber bisher kaum über echte Kompetenzen verfügt und ihre bildungspolitischen Initiativen immer nur „unterstützend" und „ergänzend" zu jenen der einzelnen Staaten wirksam werden sollen, kann keine Rede von einer Vereinheitlichung der teils noch immer recht verschiedenen Schulsysteme in Europa sein.

Das wird sich auch in Zukunft nicht wesentlich ändern, obwohl die Brüsseler Gemeinschaft im kühnen Maastrichter Vertrag über die Politische Union Zuständigkeiten nicht nur in der Berufsausbildung, sondern erstmals auch in der allgemeinen Bildung beansprucht. Dennoch wird auch im Unionsvertrag explizit festgeschrieben, daß in der Bildungspolitik weiterhin das Subsidiaritätsprinzip herrschen wird. Die Souveränität der

Mitgliedsstaaten kann demnach nur eingeschränkt werden, wenn der freie Personenverkehr das Bildungswesen berührt, etwa mit dem Verbot der Diskriminierung von EG- beziehungsweise EWR-Ausländem beim Zugang zu einer österreichischen Schule.

Die mit der europäischen Integration zweckmäßige Annäherung der Schul- und Bildungssysteme sollte deshalb nicht verkürzt nur als „europareif' bezeichnet, sondern vor allem als Anlaß zu einer wünschenswerten Modernisierung und Flexibilisierung des durchaus bewährten österreichischen Schulwesens verstanden werden. Nicht zuletzt vor dem Hintergrund von sehr fortschrittlichen EG-Regelungen ist die nun beschlossene Integration behinderter Kinder in das Regelschulwesen zu sehen.

Auch für die schulische Ausbildung von Kindern von EG- beziehungsweise EWR-Einwanderern gibt es eine verbindliche EG-Richtlinie, die einen kostenlosen Einführungsunterricht in der Amtssprache sowie muttersprachlichen Zusatzunterricht und Unterricht über Heimat- und Landeskunde des Herkunftslandes vorschreibt. Die für ausländische Kinder in Österreich laufenden Schulversuche wurden im Pflichtschulbereich schon in das Regelschulwesen übernommen. Zu ändern wird auch das Lehrer-Dienstrecht sein: Lehrer aus EG- oder EWR-Ländern müssen wie ihre österreichischen Kollegen Vertragslehrer oder pragmatisiert werden können. Offene

Fragen sind in Österreich die für europäische Verhältnisse in einem zu frühen Alter erfolgende berufliche Vorentscheidung im Pflichtschulbereich (Hauptschule oder AHS), während in vielen EG-Ländern eine einheitliche Übertrittsebene nach der 9. Schulstufe - in die Vollzeitschule oder in die Lehre - besteht.

Auch die in diesem Alter notwendige Berufs- und Bildungsberatung ist hierzulande stark verbesserungswürdig, um für den in EG und EWR schärferen Wettbewerb gerüstet zu sein. Dafür wird auch eine Aufwertung der Lehrausbildung in Richtung Allgemeinbildung (Fremdsprachen) vonnöten sein. Mit entsprechender beruflicher Anerkennung in EG und EWR ausgerüstet müssen auch die HTL-Ingenieure werden. Die jüngste EG-Anerkennungs-Richtlinie bietet dafür Möglichkeiten.

Das Lernfeld Europa selbst soll in den heimischen Schulen durch entsprechende Anpassungen der Lehrpläne beackert werden, wobei die neue Schulautonomie es den einzelnen Bildungsstätten freistellt, in wievie-len Stunden und in welchen Fächern vor allem europäische Sichtweisen vermittelt werden. Zusätzliche Chancen zum Erlemen fremder Sprachen und Kulturen könnten österreichischen Schülern und Lehrlingen die EG-Bildungsprogramme Petra, Lingua und „Jugend für Europa" bieten, die Austauschaufenthalte für Sprachkurse und Praktika in ausländischen Unternehmen finanziell fördern.

Daß Europa-Bildung für Österreich mehr ist als Blicke in Richtung Brüssel, zeigen zahlreiche erfolgreiche Schulpartnerschaften mit Schulen der östlichen Nachbarländer. Pilotcharakter hat die „gemischte" Schule mit Schülern des Gymnasiums Znaim und der HAK Retz, der bald das Projekt des Internationalen Alpen-Adria-Col-lege in der Steiermark folgen soll.

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