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FILM

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Der tschechische Regisseur Voj- tech Jasny, international bekannt durch „Wenn der Kater kommt” (1963), hat seit der Okkupation seiner Heimat durch die Truppen des Warschauer Paktes seine Zelte in Österreich aufgeschlagen und wirkt seitdem in unserem Fernseh-, Film- und zuletzt auch Bühnenbetrieb. In Deutschland schuf er 1975 die Heinrich-Böll-Verfilmung „Ansichten eines Clowns”, und in Zusammenarbeit mit der Bundesrepublik entstand in Österreich der Streifen „Fluchtversuch”.

Es geht hier um das Schicksal eines 12jährigen jugoslawischen Buben, der in Wien zur Schule geht und den Haushalt besorgt, während sein Vater und sein älterer Bruder als Gastarbeiter ihr B rot verdienen. Der so gut wie völlig sich selbst überlassene Ivo reißt eines Tages, als ihm die Gehässigkeiten der lieben Hausbewohner gegenüber dem „Tschuschenbuben” unerträglich erscheinen, aus, wird von einem biederen Berliner Lkw-Fahrer nach Graz mitgenommen und schlägt sich von dort über die Grenze nach Kroatien durch, wo seine Mutter die kranke Großmutter pflegt. Als die Mutter dann mit Ivo nach Österreich zurückfährt, unternimmt er einen zweiten Fluchtversuch, nachdem er im Zug die Notbremse gezogen hat. Er wird von der Polizei gefaßt und setzt resignierend die Reise nach Wien fort.

Dieser zweite Fluchtversuch ist sicher eine dramaturgische Schwäche und wohl auch ein bewußter, nicht gerade österreichfreundlicher Akzent (nicht der einzige übrigens) im Drehbuch von W. J. M. Wippersberg, der im Herbst im Volkstehater mit seinem derben Volksstück „Was haben vom Leben” nicht gerade erfolgreich war. Besser ist die Regiearbeit des „Gastarbeiters” Jasny, der die harten Kanten des Buchs mit etwas Menschlichkeit, Stille und Poesie abschliff - letztere geht vor allem auf das Konto der großartigen Bildarbeit des zweifachen Oscar- Preisträgers Walter Lassally. Sehr fein ist auch die Musik eingesetzt, äußerst ausdrucksstark das Spiel des Buben Tomislav Savicy, während in Nebenrollen eine Zahl bekannter Wiener Schauspieler agiert. Wenn Jasny polemisch-demagogische Akzente vermeidet, dabei aber durch das Panorama seiner Figuren die inhumane Indolenz von Menschen mit dem „goldenen Wiener Herzen”, anprangert, so sollten wir in diesem Appell eher die völkerverbindenden Elemente sehen.

Nicht gerade glücklich ist die zeitliche Kollision mit einem ähnlichen Titel,,Fluchtgefahr” ist ein Film des Schweizers Markus Imhoof, der bis 13. Februar im Neubauer-„Action-Kino” zu sehen ist, das sich immer mehr zu einer Heimstätte des anspruchsvollen Films profiliert. Hier wird die Geschichte eines straffälligen Jugendlichen erzählt, der nach der Flucht aus dem Gefängnis endgültig in die Kriminalität abzugleiten droht. Ohne Pathos wird hier die Kritik am gegenwärtigen Strafvollzug geistig durchgearbeitet und formal erstaunlich gut und sorgfältig bewältigt. Ein Kuriosum des Films ist, daß die schwyzerdeutsche Umgangssprache der Akteure mit hochdeutschen Untertiteln wiedergegeben wird, nur Matthias Habich spricht direkt mit seiner von Film und TV gewohnten Stimme zum Publikum.

Weniger geglückt sind „Die neuen Leiden des jungen W”, die Filmfassung des in der Bundesrepublik sehr erfolgreichen Theaterstücks des, DDR-Autors Ulrich Plenzdorf, das bei uns im Theater „Die Tribüne” zu sehen war. Der Held, ein vergammelter Ostdeutscher, findet durch Zufall Goethes „Werther” und gibt an Hand des Romans seine Reflexion über seine zwischenmenschlichen und sozialen Probleme in Form von Tonbändern wieder. Die interessanten Ansätze des als Femsehspiel angelegten Werks verdichten sich weder zu einer überzeugenden geistigen Linie noch zu einer geschlossenen filmischen Form.

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