6868714-1978_14_12.jpg
Digital In Arbeit

Folklore, Vamps und schicker Schmuck

19451960198020002020

Der weiße Fleck auf der Kulturlandkarte Südosteuropas füllt sich zusehends: Bulgarien gewinnt für die Mitteleuropäer Profil. Ausstellungen wie die „Thrakische Kunst“, „1000 Jahre bulgarische Ikonen“ oder „Das bulgarische Buch“ haben uns den Blick zurück bis in die Zeit der Völkerwanderung freigegeben. Bulgarien als Gebiet kriegerischer Auseinandersetzungen, der Überschneidung großer Kulturtraditionen. Und nun der Versuch, Bulgariens Entwicklung auf dem Gebiet der Druckgraphik in einer Ausstellung in der Albertina zu belegen.

19451960198020002020

Der weiße Fleck auf der Kulturlandkarte Südosteuropas füllt sich zusehends: Bulgarien gewinnt für die Mitteleuropäer Profil. Ausstellungen wie die „Thrakische Kunst“, „1000 Jahre bulgarische Ikonen“ oder „Das bulgarische Buch“ haben uns den Blick zurück bis in die Zeit der Völkerwanderung freigegeben. Bulgarien als Gebiet kriegerischer Auseinandersetzungen, der Überschneidung großer Kulturtraditionen. Und nun der Versuch, Bulgariens Entwicklung auf dem Gebiet der Druckgraphik in einer Ausstellung in der Albertina zu belegen.

Werbung
Werbung
Werbung

Mehr als 100 Blatter, beginnend bei anonymen Holzschnitten aus dem vorigen Jahrhundert .bis herauf zur Gegenwart, sollen Eigenständigkeit dokumentieren. Aber können sie das? Denn die eigentliche Entfaltung der Druckgraphik setzt in Bulgarien erst im (Vorigen Jahrhundert ein. 1741 war in Wien ein Buch „Stemmatographie“ von Shefarowitsch erschienen, das von dem Bulgaren Dorjan illustriert worden war; 1818 schuf der Mönch Russ im Kloster von Trojan das bulgarische „Schlüsselwerk“ der Kupferstichkunst, und 1882 entstand im Kloster des Iwan Rilski eine erste Werkstatt. Was heute die Druckgraphikszene in Bulgarien beherrscht, ist allerdings vorwiegend von Folklore und historischen Ereignissen geprägt. Man baut Nationalbewußtsein auf. Das spürt man deutlich.

Natürlich tauchen surreale Elemente auf (wie bei Stoilov), und natürlich steht da und dort Picasso Pate (wie bei Stojan Zanev oder Katja Kostva), aber gerade das an Egger-Lienz erinnernde Pathos und die Dominante os-manischer Vergangenheit sind doch die stärkeren Elemente. Die bulgarische Graphik als Ganzes ist natürlich nicht von der Modernität und Eigenwilligkeit geprägt, wie etwa die Graphik Polens oder der Tschechoslowakei. Aber manches Blatt der jüngeren Bulgaren könnte sehr wohl auch neben guten Arbeiten junger Westeuropäer bestehen.

Nach Schiele und George Grosz hat die Wiener Galerie Würthle wieder sensationelle Schätze ausgehängt: 80 Zeichnungen von Gustav Klimt werden da zum 60. Todestag des größten Jugendstilmalers bis Mitte April gezeigt und dann nach Graz, Klagenfurt und Salzburg weitergereicht. Das „Ewigweibliche“ hat Klimt fasziniert. Der männermordende Vamp, die typische femme fatale, das scheue Mädchen, die mondän-exzentrische Mü-lionärin, die müde gewordene alte Frau. Kein Wunder also, daß fast alle Zeichnungen und Skizzen dieser erlesenen Schau dieses Thema abhandeln. Die chice Wiener Bürgertochter Friederike Beer-Monti, in dickgestricheltes Ornamentgewand gehüllt, hat er ebenso genau und liebevoll studiert

wie die große alte Mäzenin Serena Lederer, die in dem einst prächtigen, dann von der Gemeinde Wien sinnlos geopferten Weidlinger Schlößl residierte; die mondäne Adele Bloch-Bauer wie die faszinierende Schwester Ludwig Wittgensteins, die millionenschwere Margaretha Stoneborough ...

Besonders interessant an diesen Skizzen ist das Spannungsfeld zwischen fließendem Linienspiel der Körperformen und fast mutwillig fahrig hingekritzelten Ornamentelementen: Gelängte, mitunter fast entmaterialisierte Körper im Gegensatz zu geballtem Stoff, zu gebauschter Kringeldekoration: eine Kontrastwirkung, die Klimt hier immer wieder auf ihre Spannung prüfte, um sie umso raffinierter dann in seinen Gemälden malerisch umzusetzen.

Aber auch so wichtige Blätter wie der Entwurf zur „Tragödie“ sind zu sehen. Meisterleistungen des Allegori-kers, dessen gewaltige Symbolbilder den monumentalsten Beitrag zur Kunst der Wiener Secession ausmachen. Klimt bei Würthle - ein Muß für jeden Kunstfreund!

Viel zuwenig beachtet wird übrigens eine Ausstellung modernen Designs und Kunsthandwerks der Tschechoslowakei in der Galerie am Graben 7: Anton Cepka (41) und Vaclav Cigler (48) zeigen ihre mit sicherem Geschmack und handwerklicher Perfektion gefertigten Objekte. Der eine originellen Schmuck in leichten, spielerischen Formen, an schwerelosen Ringen und Federn, der andere kühl leuchtende Glasobjekte von mathematisch strenger Form. Die jahrzehntelang wirkende Tradition modernen Kunsthandwerks in der CSSR ist da, in diesen Glaskreiseln, Würfelformen, konkaven und konvexen Körpern, spürbar; und natürlich das spezifische ästhetische Empfinden für Klarheit, Materialgerechtheit und Originalität, das seit dem Jugendstil in der Tschechoslowakei gewirkt hat.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung