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Frank kontra Himmler

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Unter den eroberten Gebieten im Zweiten Weltkrieg nahm Polen eine Sonderstellung ein. Am 19. Oktober 1939 übergab Hitler die ehemals polnischen Gebiete, so weit sie nicht zu neu gebildeten Reichsgauen im Westen geschlagen wurden, an den Reichsminister Dr. Hans Frank, der den pompösen Titel eines Generalgouverneurs erhielt. Die Wehrmacht gab sehr willig ihre Verwaltungsaufgabe als Militärverwaltung ab. Wie immer hatte Hitler die Definition der Verwaltungsstruktur und der Form, wie diese Gebiete organisiert und ausgebeutet werden sollten, unklar definiert.

Als „Nebenland“ des Deutschen Reiche? sollte die Regierung des Ge-neralgouverments so etwas Ähnliches wie ein autonomes Gebilde ohne völkerrechtlich genaue Definition darstellen. Auf der anderen Seite zeigte es sich sehr bald, daß Frank trotz seiner Stellung innerhalb der „alten Garde“ der NSDAP und seiner zweifellosen Verdienste um Hitler persönlich, den er ja bei dem berühmten Leipziger Prozeß im Jahre 1930 verteidigte, nicht stark genug war, um allen Strömungen, die sich nun im ehemaligen Polen breitmachten, zu steuern oder vor allem radikalen Entwicklungen entgegenzutreten. Wenn er auch auf der Krakauer Burg über Wunsch Hitlers mit dem Prunk eines Vizekönigs zu regieren versuchte, zeigte sich doch sehr bald, daß die Eingriffsmöglichkeiten der Zentralstellen in der Gouverments-verwaltung zu schwersten Friktionen führten, vor allem in der Auseinandersetzung mit der allmächtig werdenden SS- und Polizeiverwal-

tung. Ausgehend von Himmlers Drängen, in den besetzten Gebieten möglichst unkontrolliert nicht nur seine Umsiedlungs-, sondern auch seine Ausrottungspolitik durchführen zu können, kam es zu schwersten Differenzen, die im Jahre 1942 zu einem Tiefpunkt der Position Franks führten, nicht zuletzt wegen der rigorosen Umsiedlungsaktionen, die Himmler im November 1942 gegen die Warnung von Frank in einzelnen Gebieten zwecks endgültiger Germanisierung durchführen ließ.

Das Aufleben von Widerstandshandlungen sowie die zunehmende Verschlechterung der wirtschaftlichen und militärischen Lage ließ zwar die volkstumspolitischen Experimente der SS versanden. Zudem wagte Frank für die innere Machtstruktur des Dritten Reiches etwas Einmaliges, indem er in einer Reihe von Reden, vor allem in seiner Eigenschaft als „Reichsrechtsführer“, das

zunehmende Gewicht des Polizeistaates angriff und von Hitler seiner sämtlichen Funktionen innerhalb der Partei enthoben wurde, jedoch ohne den Posten des Generalgouverneurs zu verlieren, weil Hitler aus außenpolitischen Gründen sich dies nicht leisten konnte. Somit blieb seine Stellung in den verhärteten Fronten des permanenten Machtkampfes zwischen der allmächtigen Parteikanzlei Bormanns und Himmlers Polizeistaat eine äußerst schwache.

Mit dem allmählichen Schrumpfen des Gebietes, das man Frank einstmals als ein zukünftiges Kolonialland anvertraut hatte, wechselte seine Anschauung über die Polen-Politik. Wenn auch aussichtslos, versuchte er zum Ende seiner Amtstätigkeit sogar polnische Spitzenkräfte zur Mitarbeit heranzuziehen und die ehrenvolle Kapitulation der Warschauer Aufständischen geht zweifellos auf seinen politischen Druck zurück. Trotzdem blieb die Mitverantwortung für alle in Polen vollzogenen Massenhinrichtungen und Ausrottungsmaßnahmen natürlich auch ein Hauptanklagepunkt für Frank vor dem Nürnberger Tribunal. Seine berühmten Diensttagebücher, die nun in einer ausgezeichneten Edition mit einer entsprechenden Kürzung der unwesentlichen Verwaltungsberichte vorliegen, sind eine der wichtigsten Quellen zur Geschichte der Okkupationspolitik, aber auch zur polnischen Geschichte und zur inneren Geschichte des Dritten Reiches.

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