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Freudentanz zu Ehren Jesu

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Ähnlich dem Osterfest haben auch die Weihnachten im jahreszeitlich bezogenen Festzyklus der Hochlandindianer (campesinos = Bauern) nur eine geringe Ausprägung erhalten. Der Grund dafür dürfte wohl darin liegen, daß der Gestalt Christi wie auch der Marias nicht so ein herausragendes Ansehen zugemessen wurde, wie es im katholischen Bereich Europas der Fall war und noch immer ist. Sowohl Christus als auch Maria sind in der zentral-andinen Glaubenswelt Heilige unter anderen Heiligen und das noch in unterschiedlicher Ausprägung.

Eine weitere Ursache für das Phänomen, daß dem Weihnachtsfest so geringe Bedeutung zukommt, dürfte wohl die sein, daß im Jahresbrauchtum der hiesigen Bauern dem Patronatsfest der Gemeinde größtes Augenmerk geschenkt wurde und wird. Bei solchen Patronats- bzw. Kirchweihfesten werden verschiedene Ämter vergeben; und es gereicht jedem zur Ehre, einmal so einen „cargo" übernommen zu haben, wenn sich auch der Amtsinhaber (car-guyoq) deswegen auf längere Zeit hinaus verschulden muß.

Neben dem Kirchenpatron der jeweiligen Dorfgemeinde sind für die campesinos noch die Heiligen wichtig, von denen sie meinen, daß sie den Gedeih von Vieh und Nahrungspflanzen beeinflussen können. Es sind dies San Andres (4. Februar), San Isidro Labrador (15. Mai), San Juan Bautista (24. Juni) und Santa Barbara (4. Dezember), um hier nur einige zu nennen. Es stehen jedoch an diesen Tagen nicht die Heiligen im Vordergrund, sondern die kultisch-magischen Handlungen, die zum Wesen der religiösen Welt des campesino gehören.

Als Ausnahme muß das Weihnachtsfest in Villa Serrana gelten. In diesem im Departemento de Chuquisaca (Bolivien) gelegenen Gemeinwesen wird Weihnachten als Hauptfest gefeiert, und das Patronatsfest am Tage des hl. Michael (29. September) nützt man lediglich zur Abhaltung des Jahrmarktes, „Navidad" ist in Villa Serrana, einer quechua- und spanischsprachigen Gemeinde, ein Fest, welches die gesamte Bevölkerung mobilisiert.

Alle Serranenses, die außerhalb von Villa Serrana ihren Wohnsitz haben, kommen ab dem 20. Dezember in ihre angestammte Heimat, um dort an den Festlichkeiten teilzunehmen, die am 23. beginnen und zwischen dem 25. und dem 27. ihren Höhepunkt haben.

Die Erwachsenen wie auch die Kinder bilden für Weihnachten Tanzkreise, in die eine nicht genau festgelegte Zahl von Paaren aufgenommen werden kann. Einmal sind es acht, dann wieder zehn oder fünfzehn Paare, die solche Kreise bilden. Doch mehr als 25 Paare sollten nicht daran teilnehmen, da sonst der Kreis zu groß wird. Für jeden dieser Kreise wird eine Musikgruppe angeworben, die verschieden zusammengesetzt sein kann. Einmal gibt es im Kreis nur einen einzigen Charangospieler, ein anderes Mal kann ein ganzes „conjunto musical" auftreten.

In den Tagen vom 25. bis zum 27. Dezember kommen jeden Nachmittag bis zum Einbruch der Dunkelheit Tanzgruppen in bestimmte Häuser, um dort zu tanzen. Mit diesem Tanz verehren sie das Jesukind, das in Gestalt einer Puppe an einem besonders geschmückten Ort aufbewahrt wird. Dem Kind werden auch Geschenke mitgebracht. Der Brauch steht am Beginn einer Kette von interfamiliären Beziehungen. Jedes Jahr wird die Aufgabe, ein Abbild des Kindes herzustellen, von einer anderen Familie des Freundeskreises wahrgenommen.

Schon in den ersten Tagen des Monats Dezember beginnen diejenigen, die als Pilger (devotos) des Nifio Manuelito bezeichnet werden, ihren Weihnachtskrippen zu dienen. Allabendlich lernen Kinder verschiedene „villancicos", die sie dann in der Nacht des 24. Dezembers anstimmen und auch den ganzen 25. hindurch singen und tanzen. Am 6. Jänner wird das Fest der drei „Reyes Magos" gefeiert. Es hat seinen Ursprung in der sogenannten Aufhebung des Nifio Manuelito, das sich in einer Krippe einfindet, aus einem Hüttchen besteht, das aus Stroh eines Hartgrases gemacht ist. Geschmückt ist es mit wilden Pflanzen. In die Öffnung des Hüttchens legen sie Baumwolle, die Schnee andeuten soll. Um den Brauch durchführen zu können, muß der Festleiter einige „Paten" verpflichten, die den kleinen Manuel „emporheben" und ihm Geld schenken, das dann zum Nutzen der Kirche zurückbleibt.

Eigentümlich ist das Weihnachtsfest von Kuyo Grande. Der Ort liegt auf dem Wege von Cuzco nach Paucar-tambo, also ganz in der Nähe des alten Zentrums des Inkareiches, und die Zahl seiner Einwohner wurde 1962 mit 1054 Personen festgehalten.

Am 25. Dezember wird in Kuyo Grande die Anbetung des Jesukindes gefeiert. Aus diesem Anlaß treten als einzige, aber unverzichtbare Gruppe die Tänzer des „Machu Tusoq" zusammen. Sie dürfen bei keiner der religiösen Festlichkeiten fehlen und stellen übernatürliche Wesen dar, die für Krankheit und Tod in der Gemeinde Verantwortung tragen. Die Teilnehmer an der Danza del Machu, unverheiratete Männer, verbergen sich hinter einer ziegengesichtigen Maske. Sie kleiden sich mit einer alten Bauernmütze, einem Leinenponcho und einer kurzen weißen Leinenhose. Außerdem tragen sie einen Holzstock. Um den Hals hängen sie sich eine Glocke und die Nachbildung eines Rosenkranzes, dessen Kugeln aus lauter kleinen grünen Äpfeln gemacht sind und dessen Ende aus einem Holzkreuz besteht. So geschmückt tanzen sie um das Gotteskind herum und versuchen das „Vaterunser" zu sprechen. Sie parodieren damit die sogenannten „Soq'a Machu", die sie ja in ihrem Tanz darstellen, und die es nicht zustande bringen, die Worte richtig zu wiederholen. Sobald sie es ohne Schwierigkeiten geschafft und das Gegenwärtige, das Jesukind, berührt haben, entfernen sie sich - um die Erde zu bevölkern.

Gleichfalls am 25. Dezember wird die Geburt des Knaben gefeiert. Es gibt aber gleich drei „Ninos" in der Gemeinde. Davon ist das wunderbarste aus Stein, die zwei anderen sind menschliche Gehilfen. Als Leiter der Festlichkeiten sind zwei , Ninos Mayordomos" und bis sechs „Prev>-stes" vorgesehen. Die „Prevoste kommen für die Kosten des Festes aui und sorgen für Essen und Trinken derer, die die Gestaltung des Festes besorgen.

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