6946875-1983_48_10.jpg
Digital In Arbeit

Glaubenserneuerung trotz Kommunismus

19451960198020002020

Im jugoslawischen Medugorje wird seit langem von „Erscheinungen“ berichtet. Es wird zum Wallfahrtszentrum. Eine Untersuchungskommission der Kirche prüft das Geschehen:

19451960198020002020

Im jugoslawischen Medugorje wird seit langem von „Erscheinungen“ berichtet. Es wird zum Wallfahrtszentrum. Eine Untersuchungskommission der Kirche prüft das Geschehen:

Werbung
Werbung
Werbung

Fünfzehn Leiter der charismatischen Erneuerung in der katholischen Kirche der USA (Priester, Nonnen, Laien) hatten mich ersucht, sie nach Medugorje zu geleiten. Ein besonderes Ziel dieser Buß- und Pilgerfahrt war auch die Erstellung einer möglichst vollständigen Dokumentation über die „Marienerscheinungen“.

Wir drehten Video-Filme und machten Interviews mit den jugendlichen Sehern sowie den sie betreuenden Franziskanern und Dorfbewohnern. Wir sammelten Dokumente — eine Dokumentation, die in Zukunft, sobald keine Erscheinungen der „Gospa“ ( = Frau) mehr stattfinden, sicherlich von hohem Wert sein wird. Fünf der ursprünglich sechs jugendlichen Seher berichten ja derzeit weiterhin von den all abendlichen „Erscheinungen“.

Für mich war es das achte Mal, daß ich in der Erscheinungskapelle jenes Ereignis miterleben durfte. Jedes Mal kehrte ich bereichert und erneuert heim. In stundenlangen Gesprächen mit den Sehern wurde mir nun eines klar: Die Botschaft der „Gospa“ nimmt an Intensität ständig zu.

Sie fordert von den Katholiken dringende Bekehrung, Abkehr von weltlichen Versuchungen, Umkehr zu einem gottesfürchti- gen Leben und die vollständige Aussöhnung der Katholiken mit Gott, den Mitmenschen und den Feinden. Dies ist „der Friede, den die Welt • nicht geben kann“. Schließlich ruft sie zu einem intensiven Gebetsleben, verbunden mit wöchentlichem Fasten bei Brot und Wasser, kurz zu einem zeugnishaften Glaubensleben auf. Dies ist nichts Dramatisches.

Dafür sind die Früchte dieser „Botschaft“ zweifellos auffallender als die vielen Heilungswunder und wunderbaren Geschehnisse am Kreuz des Dorfberges. Ich sehe vor allem zwei solche Früchte: Zum einen hat sich der Lebenswandel der bäuerlichen Bevölkerung radikal zum Besseren gewendet. Zum anderen erhielt das religiöse Leben in weiten Teilen Jugoslawiens durch den stets wachsenden Pilgerstrom einen merkbaren Auftrieb. Breiteste Volksschichten wurden also von einer echten religiösen Erwek- kung ergriffen!

In Medugorje wird erneuerte Volkskirche erlebt und gelebt, deren Sauerteig seit jeher die Märtyrer, Bekenner, Beter, die Überzeugten und die Verkünder gewesen sind. Sie werden in Medugorje ermutigt!

Im Laufe der Geschichte hat die Kirche so manchen Anlaß zu Ärgernis gegeben und oft die Besten abgestoßen. Gedenken wir heuer im Lutherjahr auch all jener wertvollsten Evangelischen!

Umso bedeutsamer erscheint mir dies neue Leben aus dem Glauben in einem kommunistischen Land: Christen werden dort nicht — wie so oft bei uns — zu Materialisten! Da Verfolgung herrscht, bestimmen die Zehn Gebote das christliche Zusammenleben.

Die Gläubigen von Medugorje sind nicht versucht, sich der Welt anzupassen, da diese ja offenkundig atheistisch geworden ist. Das Grundgefüge der heutigen „Un- tergrundkirchen** besteht eben darin, daß sich die Gläubigen an den lebendigen Jesus als ihren König anklammern. Und die „Gospa“ weist ausschließlich auf den Jesus des Evangeliums hin. Daher wächst dort auch wieder eine Jesus-gläubige Kirche.

Je mehr Lüge und Gewalt, Geld und Panzer die Welt regieren, umso dringender benötigt die bedrängte, aber erneuerte Volkskirche jene „Sauerteig“-Jünger: die zahllosen Bekenner in Jugoslawien und im Osten, aber auch die geistlichen Erneuerungsgruppen im Westen.

Natürlich bleibt eine endgültige Entscheidung über die „Echtheit“ der Erscheinungen dem kirchlichen Lehramt Vorbehalten. Bei einem Besuch der zuständigen Bischof sresidenz von Bischof Pävao Zanic in Mostar stimmte es mich aber traurig, daß eine tiefgreifende Auseinandersetzung zwischen Diözese und Franziskanern dokumentiert wurde.

Vor kurzem veröffentlichte die Kathpress ein Interview, in dem es unter anderem heißt: „Die Frömmigkeit, die man in Medugorje findet, ist sicherlich zu bewundern, aber die Hintergründe, die man vor dem Bischof und den Gläubigen zu verstecken sucht, führen unweigerlich zu einem negativen Urteil über die Erscheinungen* und angeblichen Wunder in Medugorje.“

Mir ist von dieser angeprangerten Haltung der Franziskaner — trotz langer und intensiver Besuche — nichts aufgefallen.

Bischof Zanic wurde von kirchlicher Seite beauftragt, eine internationale Kommission mit den Untersuchungen, die erst zu einem „Urteil“ führen könnten, zu betrauen.

Ich halte ein solches „Urteil“ derzeit für verfrüht, könnte es doch das Wichtigste, nämlich die „himmlische Botschaft“ zum Heil der Gläubigen in einer gottfernen Welt, aus dem Bewußtsein ver-drängen.

Der Autor war als Direktor in einer UNO- Organisation diplomatisch tätig.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung