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Das Leben ist eine Reise

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Langsam geht die Urlaubszeit auf ihr Ende zu. Es wird kaum jemanden geben, der in den letzten Wochen nicht unterwegs gewesen ist. Reisen ist ein schönes Erlebnis: mit Abschied und Wiedersehen, mit Vorfreude, Planung, Erlebnissen, vielleicht auch Enttäuschungen, mit einem Ziel. Auf Reisen läßt der Mensch seinen Alltag zurück, die Gewohnheit, den Trott der Routine.

Das ganze Leben ist eine Reise. Vom ersten Augenblick seiner Existenz an bis zum letzten Atemzug ist der Mensch unterwegs: durch Kindheit und Jugend, Reife und Alter, Arbeit und Freizeit, Beruf und Lebensabend. Oder nach Werner Bergengruen: „Wir reisen in andere Verfassungen unseres Herzens."

Wer im Weltbild der jüdischchristlichen Kultur beheimatet ist, findet auch in den heiligen Schriften immer wieder Bilder des großen Wanderns; Kirche ist Volk Gottes auf Wanderschaft durch Schöpfung und Zeit.

Lange Einleitung für welche Botschaft? Für die Botschaft, daß wir nicht zum Ruhen und Verweilen bestimmt sind. Wir leben in einer Zeit dramatischef Veränderungen in unserer Umgebung. Bis zu einem bestimmten Punkt machen Veränderungen neugierig, regen unsere Kräfte an, reißen uns mit. Nach Überschreiten eines solchen Punktes., der für jeden Menschen ein anderer ist, machen Veränderungen unsicher, angstvoll, oft krank. Für viele ist in unserer Zeit dieser Punkt überschritten. Vielen geht alles zu rasch, zu rücksichtslos. Wir sehnen uns nach Buhe, Gewißheit, Verschnaufpausen. Das entspricht der menschlichen Natur.

Aber in der menschlichen Natur liegt auch die Fähigkeit zu ständiger Anpassung. Wir halten viel mehr aus, als wir von vornherein selbst annehmen. Wenn es sein muß, können wir uns auch rascher umstellen, als wir. vermutet haben. „AVenn es sein muß ..." Muß es sein? Vielen geht der Umbruch in der Kirche zu schnell. (Anderen wieder zu langsam.) Viele sind durch die Veränderungen in der Politik - EU, Neutralitätsdebatte, Umbau des Sozialstaats - verunsichert. Viele sorgen sich um die wirtschaftliche Entwicklung: Arbeitsplatzvernichtung, Firmenzusammenbrüche, Ausverkauf Österreichs.

Es ist kein großer Trost, aber eine große Wahrheit dennoch: Anderen in anderen Ländern geht es nicht besser. Das aber beweist nur, daß das, was geschieht, Entwicklungstendenzen entspricht, die kein Land von sich fernhalten kann, ob EU-Mitglied oder nicht. Aber Gott läßt keine Herausforderung zu, der seine Geschöpfe nicht gewachsen waren. Wer will, kommt mit. Das Ende des Urlaubs ist kein Ende unserer Wanderschaft. Das ganze Leben bleibt eine Reise. Skeptiker zweifeln: Wohin wird sie führen? Glaubende sind angstfrei: Sie kennen das Ziel, wo wir erwartet werden.

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