Ich liebe die Sanftmut

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Über die Kunst sich aufhören zu können, der wir uns öfter bedienen sollten.

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Über die Kunst sich aufhören zu können, der wir uns öfter bedienen sollten.

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„Ich werde das zu meinem Wesen nicht brauchen können.“ Also, das ist ein Satz, der sich hören lassen kann, der hallen darf durch die ganze Welt und hin zum Mond, wenn er bebt oder auch nicht und wieder zurück in das ganze ungeheuerliche Gemächte! „Ich werde das zu meinem Wesen nicht brauchen können“; diese Worte von Goethe, gehörten gebetet, finde ich froh. Der Dichter sprach sie, als er seine Studien über die Lehre der Farben abbrach. Ich finde das so toll als Seinsbild. Sich aufhören zu können, ist eine Gnade und ein Geschenk, ist ein Wunderwerden, dessen unser Wesen bedarf.

Durch mein Herz gehen alle Kriegstreiber, die unaufhörlichen mit ihren Waffen in Gedanken und Worten und Werken auf allen Etagen des Hierseins. Durch mein Herz geht all die Maßlosigkeit mit und ohne Namen; und auch der Taxifahrer, den ich Gott sei Dank fand für einen dringenden Weg, und der mir, weil ich sprachschwach bin in diesem geliebten Land, mit seinen diamantenen Sprachbrocken aus dem Herzen sprach. In der Welt ist alles falsch. Gehe ich eine Beziehung ein mit einem Menschen, so will er oder sie nur HABEN! Ach, wir können so glücklich werden im Einvernehmen einer Wahrnehmung. Wir brauchen das sehr zu unserem Wesen, dieses Wissen, ich liege nicht falsch mit meinem Erschrecken, das sich an der Welt- und Allerschütterung bildet.

Sich aufhören zu können, ist ein Wunderwerden. Das wusste auch der vor fünfzig Jahren verstorbene Pablo Neruda, der immer der Spur des Sich-Transzendierens folgte in seinem WerdeWerk: Ich liebe die Sanftmut. / Und trete ich über die Schwelle einer Einsamkeit, / öffne ich die Augen / und lasse sie überlaufen // von der Schwere ihres Friedens. /… Ich finde in der Beruhigung der Dinge / ein großes und ein stummes Lied. Wir werden das zu unserem Wesen gut brauchen können.

Die Autorin ist evangelische Pfarrerin i. R.

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