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Glück aus öffentlicher Hand

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Seit Beginn dieses Jahres wurden allein von der Gemeinde Wien drei Jugendzentren der öffentlichen Benützung übergeben. Von einer „explosionsartigen Entwicklung“ auf diesem Gebiet spricht Dr. Kurt Wanasek, Leiter des Landes Jugendreferates. „Als ich 1972 die Leitung übernahm, gab es vier Jugendzentren. Heute sind es vierzehn.“

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Seit Beginn dieses Jahres wurden allein von der Gemeinde Wien drei Jugendzentren der öffentlichen Benützung übergeben. Von einer „explosionsartigen Entwicklung“ auf diesem Gebiet spricht Dr. Kurt Wanasek, Leiter des Landes Jugendreferates. „Als ich 1972 die Leitung übernahm, gab es vier Jugendzentren. Heute sind es vierzehn.“

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Damit entstehen natürlich Probleme besonderer Art. Das Jugendzentrum in seiner ursprünglichen Form, als Aufenthaltsraum nämlich für geschlossene Jugendgruppen, erfuhr einen grundlegenden Funktionswandel. Seit zwei Jahren gibt es die sogenannte „offene Tür“, das heißt also, jeder Jugendliche, ob in Gruppen organisiert oder nicht, soll sich, hier wohl fühlen können. Ob er es tatsächlich tut, ist eine andere Frage.

Daß der Jugendliche ein Stiefkind unserer Gesellschaft ist, wurde inzwischen erkannt. Für das Vorschulkind stehen bereits einigermaßen ausgefeilte pädagogische Einsichten ebenso wie organisatorische Einrichtungen zur Verfügung, das Kind bis zu etwa 10 Jahren findet Aufnahme im (wenngleich etwas problematischen) Hort. Was den Jugendlichen betrifft, tappt man noch im dunkeln. Da wird in erster Linie über den Mangel an guten und vor allem an engagierten Betreuern geklagt. Lehrer haben sich dafür als wenig geeignet erwiesen, weil sie im allgemeinen eine zu starke Autorität darstellen. Ähnliches gilt für den Erzieher.

Ein weiteres Problem liegt in der architektonischen Planung und Aus-

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führung der Jugendzentren. Daß der Jugendliche hier eine abgeschirmte Intimsphäre braucht, in die er sich zurückziehen, wo er „unter sich“ sein kann, wurde erst in jüngster Zeit erkannt und zum Teil berücksichtigt. In modernen und sterilen Sälen mit viel Glas, viel Licht viel Kunststoff und wenig Atmosphäre werden sich die Jugendlichen keinesfalls zu Hause fühlen.

Solche und ähnliche Fehlplanungen sind der Grund, warum so manches mit teurem Geld gebaute Jugendzentrum leersteht. Um dem Abhilfe zu schaffen, schuf man in jüngster Zeit die sogenannten „Jugendcafes“, wie zum Beispiel im „Haus der Jugend“ in der Zeltgasse, wo dem Jugendlichen für die ver-schiedendsten Aktivitäten außerdem noch zwei Diskotheken, Proberäume und ein Theatersaal zur Verfügung stehen.

Daß es allerdings mit so aufwendigen Mitteln nicht unbedingt gut gehen muß, zeigt das Jugendzentrum des Pater Debre in der Dietrichstraße im 3. Bezirk. Hier ist es vor allem die Atmosphäre, die den Halbwüchsigen anzieht, die ihn umgibt, sobald er das grün gestrichene Eingangstor geöffnet hat und sich in

einem von Pflanzen bewachsenen Reservat befindet. Ein ehemaliges Bauernhaus (so etwas gibt's tatsächlich mitten in Wien) wurde hier entsprechend umfunktioniert. „Und hier“, sagte Pater Debre, der als möglichst unauffälliger und doch zu jeder Tages- und oft auch Nachtzeit anwesender Betreuer nach dem Rechten sieht, „war der Schweinestall, hier der Heuboden, dort waren die Wirtschaftsräume“. Die Jugendlichen haben bei der Ausgestaltung der oft niedrigen und in sich gegliederten Räumlichkeiten zum Teil selbst mitgeholfen. Und damit öffnet sich eine weitere Möglichkeit zu entsprechender Aktivität Warum es sich nicht mit ein bißchen Eigeninitiative auf leerstehenden Dachböden wohnlich machen, warum nicht unbenutzte Keller einrichten? Aber das, so Dr. Wanasek, scheitert meist am Einspruch der Bevölkerung. „Die Jugendarbeit ist im Augenblick bei der Bevölkerung nicht sehr anerkannt. Es gibt sogar Leute, die die Jugendzentren dafür verantwortlich machen, wenn irgendwo Aggressionen entstehen.“

Und was schließlich und endlich nicht vergessen werden darf: es ist häufig der Jugendliche selbst, der zu wenig Initiative entwickelt Er hat sich schon daran gewöhnt berieselt zu werden, seine Glücksgüter von der öffentlichen Hand zu empfangen.

Vielleicht sollte man hier ansetzen, um das Problem zu lösen: beim einzelnen, nicht bei der Gesellschaft.

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