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Haeusserman
,JIinter meinem Rücken können sie alles über mich sagen, nur nicht mir ins Gesicht."
Lieber Ernst, wir haben ein paarmal miteinander über diesen Deinen Ausspruch gelacht, haben untersucht, ob er auch umgekehrt für Dich stimmen könnte, waren uns schnell darüber einig, daß in Wien und hier speziell beim Theater nur ganz seltene Leut' einander was Wirkliches ins Gesicht sagen, und schon hattest Du ein nächstes Bonmot parat, das jemandem galt, dem Du es auch nie ins Gesicht gesagt hättest.
Unsere Gespräche sind sehr selten geworden in den letzten Jahren. Das Burgtheater, an dem ich arbeite, war nicht mehr „Dein"Burgtheater, ständiger Gast an Deinen Stammtischen war ich wohl zum letzten Mal zu Zeiten des legendären „Sa-voy" und der ,JLinde", schon ins „Grünwald" hat es mich nur mehr ein paarmal verschlagen — es lag an mir, in Stammtischrunden bin ich schon immer eher vereinzelt vorgekommen. Du weißt eh.
Dein Tod hat mich so erschreckt, als wäre jemand — ja, jemand Verwandter gestorben. Jemand, der zugeschaut hat, wie wir jung waren und wie wir älter wurden, wie wir die Stadt und das Land verließen und wiederkamen, wie wir Erfolge und Mißverfolge zustande und hinter uns brachten, wie wir alle das große Spiel zu spielen versuchten, das Dir ein Lebensinhalt war: beim Theater sein. Wir, das sind alle die, von denen Du etwas gehalten hast, als wir anfingen.
Du hast mich am Burgtheater debütieren lassen und mir dazu „toi, toi, toi" auf das Reclamheft von „Kabale und Liebe" geschrieben — es hat genützt. Du hast mir nach der Premiere — festlich, wie's Deine Art sein konnte — einen Traumvertrag mit der ,ßurg" angeboten und mich kopfschüttelnd wieder nach Deutschland ziehen lassen, weil ich's noch zu früh fand.
Du würdest sehr lachen, wenn Du mich so sitzen und Dir einen Nachruf schreiben sehen könntest. Ich habe mich nur geärgert, daß Deinen offiziellen Nachrufem so wenig zu Dir eingefallen ist. Ich hab's leicht. Ich war nicht verfeindet mit Dir, eher verfreundet.
Ich kann Dir nichts mehr ins Gesicht sagen, also laß Dir etwas nachsagen, lieber Emstl: Danke, daß Du Dich eingemischt hast damals zur rechten Zeit. Ich habe es nie bereut, ich nehme an. Du auch nicht. Du wirst uns fehlen in Wien und in Salzburg und im Kaffeehaus und am Telephon und im Zuschauerraum und überhaupt.
Wir werden noch drauf-kommen.
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