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Brief an den Regisseur Walter Davy

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Walter, mein Freund!

Endlich“, sage ich jede Nacht, wenn ich meinen Kopf aufs Kaprizerl lege und das Licht abdrehe. Endlich!

„Endlich“ willst Du Dir auf den Grabstein meißeln lassen, hast Du mir erzählt. Das finde ich eine gute Idee - endlich eine gute Idee - ab jetzt, Du bist 70, darfst Du - hin und wieder 7 ans Abkratzen denken. Aber nur hin und wieder - zuvor aber bitte feiere noch ein paar Jahre Deinen 70er. Ich konnte bei Deiner Geburtstagsfeier nicht dabei sein -Du weißt: 77, Vorstellung, Schnee... aber in Gedanken war ich bei Dir und den Freunden. Ich hab' gedacht: Jetzt feiern sie ihn, den Mutigen, 'Tapferen, den oft Enttäuschten, der so viel für die Kultur dieses Landes und dieser Stadt getan hat. Rot-Weiß-Bot, Fernsehpionier, Regisseur, Schauspieler, Autor und für viele - mich eingeschlossen - ein wichtiger Freund. Du hast, auf Deine Krücken gestützt, mit Deinem einen Bein zweimal die Erde umkreist, so viel bist Du herumgerannt im Dienste Thaliens. (No, wie hab' ich das gesagt?) Im Ernst: Wir haben die Maghrebinischen Geschichten zusammen gemacht, Leinen aus Irland - eine turbulente Komödie mit der Rökk und dem Ernstl Waldbrunn - und es war immer lustig und g'scheit.

Aber am lustigsten, am gescheitesten, am menschlichsten war es zwischen uns, wenn wir getratscht haben, im Auto sitzend, im Kaffeehaus, stundenlang! Erinnerst Du Dich, wie wir im Frauenhuber waren? Im Sperl? Damals hatten wir noch Ideale, und ich trau' mich wetten, Du hast sie heute noch, und dazu gratuliere ich Dir. Bleib ein freier Geist, ohne ein Freigeist zu sein, und gewöhn Dir bitte ab, immer mit verstellter Stimme und unter falschem Namen anzurufen. Erspar es mir, oft darauf reinzufallen oder so zu tun, als ob ich es täte. Jetzt bist doch schon aus den Kinderschuhen her-außen, und wir, Deine Opfer, sind auch nicht mehr ganz frisch.

Und versprich mir, daß Du noch lange nicht ENDLICH einmeißeln läßt Seit dem Hingang unseres Freundes Jörg Mauthe sind es wenige geworden, die die Fahne der freien Meinungsäußerung hochhalten -denn Chuzpe hat mit Meinung nicht allzuviel zu tun.

Also, Walter - sei weiter ein Fels im Meer der Langweiligen. Ärgere mich weiter, denn auch deshalb liebe ich Dich. Und das bis mindestens 120!

P.S.: Natürlich weiß ich, daß Du nicht den 70sten, sondern den 72sten gefeiert hast. Die zwei Jahre, die ich Dich jünger gemacht habe, sind, so wie dieser Brief, mein Geburtstagsgeschenk.

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