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Handwerk oder Vergnügen

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Wie schon in den beiden vergangenen Jahren, veranstaltete der Kärntner Schriftstellerverband auch heuer seine Internationale Tagung in dem freundlichen Dorf Fresach, einige Serpentinen über Feistritz an der Drau. Und auch heuer kamen aus allen Windriehtungen Schriftsteller, Kritiker und Leute vom Rundfunk und vom Fernsehen zu dieser Tagung angereist, die wieder ein echter Erfolg wurde. So brachten mehr als 70 deutsche Zeitungen ausführliche Berichte darüber.

Lautete im Jahre 1972 das Thema „Rückzug in die Gesellschaft oder Der aufgestockte elfenbeinerne Turm“ und 1973 „Wozu schreiben wir noch — wurde die Literatur zu Tode diskutiert?“, so beschäftigte man sich heuer mit der Frage „Schreiben — Handwerk oder ästhetisches Vergnügen?“.

Zu diesem Thema hielt der bekannte Literaturkritiker und Herausgeber der Zeitschrift „Text und Kritik“ Heinz Ludwig Arnold das erste fesselnde Referat. Für ihn stelle die Arbeit des Schriftstellers einen Dualismus dar, der das Handwerk wie das ästhetische Vergnügen einschließe. Er wies auf die verschiedenen gesellschaftlichen Grundpositionen und ihre Auswirkungen luf das Schreiben hin. Und dies vor allem einmal aus seiner Sicht, also aus der Sicht des deutschen Schriftstellers. Ob ein Dichter im heimatfernen Exil oder in einem faschistischen Staat geschrieben habe, oder ob er jetzt in einer Volksdemokratie oder im sogenannten freien Westen schreibe, beeinflusse sowohl sein Handwerk als auch das ästhetische Vergnügen an der eigenen Arbeit. Und gewiß habe ein Autor, der in einer Diktatur lebe, eine höhere Verantwortung zu tragen als ein Autor in der freien Welt, wo es freilich oft zu einer Wirklichkeitsableugnung und zu einer Inflation der Worte gekommen sei.

Das zweite Referat hielt die österreichische Autorin Jutta Schütting. Trägerin des österreichischen Staatspreises für Lyrik 1972. Sie, als Praktikerin, schloß sich zunächst der Meinung Heinz Ludwig Arnolds an. Denn auch für sie sei das Schreiben sowohl ein Handwerk als auch ein ästhetisches Vergnügen. Im Gegensatz zu Arnold aber ging sie sodann näher auf die Praxis ein und untersuchte gründlich etwa die Erlernbarkeit des schriftstellerischen Handwerks und die einzelnen Phasen während seiner Arbeit als Einmannbetrieb, der oft genug während des Arbeitsvoranges noch nicht weiß, was er hergestellt haben wird.

Das dritte Referat hielt der Schriftsteller France Filvpic aus Jugoslawien. Er meinte, dm Grunde liefen die Erörterungen über das Grundthema zuletzt doch auf die Frage hinaus, ob der Schriftsteller eine gesellschaftliche Verantwortung trage oder ein Privatier sei. Warum schreibe man denn? Doch nur, weil man seinen Mitmenschen etwas weitergeben wolle und müsse: seien es nun die Umstände einer unglücklichen Liebe oder die Beschreibung eines Kruges im Zimmer. Sicherlich sollte die Schriftstellerei kein Politikum sein, aber in der Praxis komme es zuletzt doch darauf hinaus. Was sei denn in der Weltliteratur geblieben? Doch nur das, was die innerste Betroffenheit des Menschen ausmache und seinen Platz auf dieser Welt fixiere.

Leider war die ungarische Dele-

gation nicht erschienen, so daß deren Referat entfallen mußte. Im Anschluß an die anderen Vorträge aber gab es jeweils sehr lebhafte Diskussionen, die bewiesen, wie aktuell das gewählte Thema für die anwesenden Schriftsteller und Kritiker aus Deutschland, Jugoslawien, Österreich, Rumänien und der Schweiz geblieben ist. Wie denn überhaupt un-

ter den Teilnehmern ein offener herzlicher Kontakt herrschte und die ganze Tagung von Walther Nowotny, dem Präsidenten des Kärntner PEN-Clubs und des Kärntner Schriftstellerverbandes sowie dessen Sekretär Theo Pressien vorbildlich vorbereitet und organisiert war.

Ein ernstes, völkerverbindendes Unternehmen, das von Jahr zu Jahr über die Grenzen unseres Landes hinaus an Bedeutung gewinnt und dem man für die Zukunft das Beste wünschen möchte.

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