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Hitler - eine Karriere

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Eine Hausse in Hitler-Filmen ist ausgebrochen. Nachdem Erwin Leisers beispielhafter Dokumentarfilm „Mein Kampf* wieder mit großem Erfolg in unseren Kinos läuft, steht auch G. W. Pabsts Spielfilm „Der letzte Akt“ (mit Albin Skoda als Hitler) wieder vor der Tür, und Werner Riebs Streifen „Hitler — eine Karriere“, der schon seit Wochen eine intensive Publicity genießt, folgt auf dem Fuß.

Riebs Film basiert auf dem Buch von Joachim C. Fest und sieht fast mehr das persönliche Phänomen Hitler als den „Führer“ (und vor allem die Folgen). Rieb hat den Film vorwiegend als eine reflektierende tiefenpsychologische Analyse angelegt und sieht Hitler in seinen Grundzügen etwa als einen Menschen, der nach dem Ersten Weltkrieg Angst vor dem Zivilleben hatte, sich nach der Niederlage Deutschlands als Retter einer bedrohten Welt fühlte, sich Gefolgschaft und Macht vor allem durch seine Rhetorik verschaffte, in seinen Reden eine Mischung aus Kalkül und Wahnwitz einsetzte und als Kontaktgestörter in der Vereinigung mit der Menge Erfüllung fand. Weiters wird Hitler attestiert, daß er Politik als Volksfeste inszenierte, nach der Machtergreifung ein Leben des Müßigganges führte, um auf Reisen seine Allgegenwart zu demonstrieren und schließlich, als die Wende im Zweiten Weltkrieg eintrat, nur noch Botschaften der Hoffnung annehmen wollte, seine Interessen der Architektur, der Hundedressur und Ernährungsfragen zuwandte und über die Schlechtigkeit der Welt klagte.

Das ist an sich wohl weitgehend richtig, klingt auch gut und teilweise witzig, wirkt aber insgesamt zu feuilletonistisch, was für die Behandlung des abgründigen Themas wohl zu wenig ist. So fehlt etwa der Hinweis auf die Männer in Linz und Wien, welche die verhängnisvolle Ideologie Hitlers formten, ein klares Wort über die Rolle der deutschen Hochfinanz, welche die Etablierung des NS-Regimes erst möglich machte, jede Erwähnung des Kriegsgeschehens auf dem Balkan, und auch die Eroberung von Belgien, Holland, Dänemark und Norwegen wird nur ganz flüchtig gestreift. Die Errichtung der ersten Konzentrationslager im Jahre 1933 wird kurz angedeutet, ihre grauenvolle Realität kommt aber ebenso wenig ins Bild wie das verheerende Ausmaß der materiellen Zerstörungen des Zweiten Weltkriegs, ja nicht einmal die Zahlen der Millionen Opfer werden genannt. Vom Kriegseintritt Amerikas wird gesprochen, jedoch nicht korrigierend ergänzt, daß Hitler den USA den Krieg erklärt hat.

Sicher, auch bei einem Zweieinhalbstundenfilm, der immerhin einige neue Aufnahmen, darunter Farbbilder aus Hitlers Privatleben auf dem Obersalzberg bringt, wird das notwendige Auswahlprinzip vieles und nicht Unwesentliches ausschalten müssen. Hitler ist, nach den Worten von Fest, „immer noch die große moralische und intellektuelle Herausforderung für die Angehörigen unserer Generation“. Er meint, daß die bisherigen Bücher und Filme zu stark auf das bloße Gegengefühl aufgebaut waren, und wollte die Faszination, die von Hitler ausging, verständlich machen.

Er hat sicher keinen Pro-Hitler- Film geschaffen und macht auch die Ungeheuerlichkeit des verbrecherischen größenwahnsinnigen Diktators fühlbar. Und ich glaube auch nicht, daß junge Menschen, für die Hitler nur noch eine mehr oder minder böse Legende ist, dem Blendwerk seiner schmierenhaften Demagogik und Rhetorik erliegen werden. Auch den Pomp der Reichsparteitage wird man heute wohl eher belächeln. Aber der Ruf nach dem starken Mann schallt in unserer Zeit schon wieder so laut, daß man selbst den Mann, der die Welt in eine einzigartige Katastrophe gestürzt hat, wieder mit milderen Augen sehen könnte.

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