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Hoffmann und Cervantes

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Der Zufall fügte es, daß im Mittelpunkt der beiden letzten Inszenierungen am Stadttheater Klagenfurt, von Musik um-klungen, zwei Dichter standen: E. T. A. Hoffmann und Miguel de Cervantes; und beiden wurden auf ihre Weise Stück und Spiel gerecht.

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Der Zufall fügte es, daß im Mittelpunkt der beiden letzten Inszenierungen am Stadttheater Klagenfurt, von Musik um-klungen, zwei Dichter standen: E. T. A. Hoffmann und Miguel de Cervantes; und beiden wurden auf ihre Weise Stück und Spiel gerecht.

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Für „Hoffmanns Erzählungen“ von Offenbach hatte man sich den DDR-Regisseur Günter Lohse geholt, daß er nach seinem Konzept dem Werke diene. Er tat es höchst eigenwillig und vielleicht auch nicht ohne Sei-

tenblick auf ideologische Deutung, wenn er den als hoffnungslosen Süffling gezeichneten Hoffmann plötzlich zu einem schlanken Jüngling macht, der den Spieß umdreht: nicht er wird der Verachtung preisgegeben, er singt es Stella und ihrem als feister Bürger deklarierten Gönner Lindorf hinein, klein-zackig und mit dem Stolze eines aufrechten Poeten, der sich dann an den Tisch setzt, um zu dichten, während die Kommilitonen ehrfurchtsvoll verharren. Solcher umfunktionierten Rahmenhandlung fand sich dann auch eine höchst kitschige Muse beigegeben, die aus transparentem Weinfaß dem Dichter den Weg weist. Innerhalb dieser Parenthese ging es dann gekonnt und bemerkenswert zu, im Bilde zwischen Keller und Geisterschloß (Matthias Kralj) und mit allen Mitteln eines bewegt-phantastischen Geschehens. Ein routiniertes Ensemble unter der Leitung Robert Filzwiesers sorgte für Sang und Klang, und wenn auch mit dem Hoffmann Klaus Hains sein Sänger darstellerisch überfordert schien, waren es doch die Damen Voinea, Cra-

ver und Nagy, die ihren Rollen stimmlich wohl entsprachen, während die „Bösewichter“ bis hin zu dem skurrilen und gespenstischen Dr. Mirakel in George Ionescu ihren souveränen Interpreten fanden. Und doch war es ein Quartett von Nebenfiguren, das besonders auf sich aufmerksam machte: jene Assistenten Andreas, Cochenille, Pitichi-naccio und Franz, denen Herold Kraus sein großes Können lieh.

War also bei „Hoffmann“ nicht unbedingt alles mit Lob zu bedenken, so erwies sich die Inszenierung des Musicals „Der Mann von La Man-cha“ von Dale Wassermann als das Ereignis der Spielzeit. Hier zeigte es sich, daß auch ein „Provinztheater“ zu großen Leistungen fähig ist, wenn sich die rechten Kräfte zusammenfinden. Diese aber waren von der Regie her in Tamas Ferkai und der Choreographin Lola Braxton präsent, die sich an das vorgeschriebene Konzept der Urtnszenierung von Albert Marre hielten und doch Persönliches in den Ablauf einbauten, der zwischen diskreter Komik und verhaltener Tragik die Mitte hielt. Lebendigkeit — der Kampf mit den Maultreibern, die Vergewaltigung der Aldonza — und verinnerlichte Stille wie das Sterben des Ritters von der traurigen Gestalt, gaben dem Theater alle ihm • gebührende Ehre. Dazu das großartige düstere Bühnenbild, die optische Bedrohung des Dichters Cervantes, der zur Verteidigung die Geschichte des Mannes von La Mancha erzählt, von der eindringlichen „aus dem Volke kommenden“ Musik Mtter heighs um-klungen, die bei Manfred Mayrhofer

in guter Hand war. Ohne die Bereitschaft und den Elan der übrigen Mitwirkenden schmälern zu wollen, seien drei Leistungen hervorgehoben : Vera Berszenyi, die ihre Aldonza zwischen Bauernhure und teilnehmender Menschlichkeit ansiedelte, an Spiel, Lied und tänzerischer Gewandtheit keinen Wunsch offen ließ und in jeder Szene überzeugte: Ta-mäs Ferkai, dessen Sancho niemals der Verführung erlag, derbe Komik zu setzen, sondern es mit der Schlichtheit des Herzens hielt, und nicht zuletzt der Berliner Gast Carlos Werner, ein Don Quixote von Cervantes' Gnaden, dem er Haltung und Adel verlieh, während er seiner ersonnenen Gestalt jene tragische Würde schenkte, die dem Ritter auch im „unglaublichen Traum“ einen Schimmer des Echten zu verleihen vermag. Eine Leistung, die in der Erinnerung weiterleben wird. Das Publikum jubelte, Klagenfurt hatte seinen großen Abend.

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