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Rosvaenge und die Rökk

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„Euch ist mein ganzes Herz, mein schönstes Lied“, sang Helge Kos-vaenge für sein Publikum in der VoIJcsoper, die ihn anläßlich seines siebzigsten Geburtstages eingeladen hatte, den Prinzen Sou-Chong in Lehärs „Land des Lächelns“ zu singen. Und der Abend wurde zu einem Triumph für den beim Wiener Publikum heute wie einst überaus beliebten Tenor, dem die Wiener Oper in den Jahren nach 1945 im Theater an der Wien so manchen ungewöhnlichen Abend zu verdanken hatte. — Noch einmal konnte man Rosvaenge, der als Diplomat im Wien um 1900 wie als chinesischer Märchenprinz gleichermaßen mit großem Aplomb auftritt, in seinem verhaltenen, noblen Spiel bewundern, mit seiner kultivierten Stimmtechnik und Gestaltungskunst, die ihm auch heute noch manches vom Timbre, Schmelz, Fluidum früherer Jahre erhalten haben.

Uberzeugend sangen und spielten neben ihm Adele Leigh, eine ebenso schöne wie leidenschaftliche Lisa, deren Sopran mühelos die Ariosi schafft, und Erich Kuchar, dessen temperamentvoller Gustl Graf Pot-tenstein auch schauspielerisch funkelnde Akzente setzt. Guggi Löwinger, als süßes China-Mädel voll Charme, Anmut, Grazie, brillierte in den Duetten mit Erich Kuchar. Friedrich Nidetzky lieh dem Onkel Tschang die behäbige Würde eines Mandarins. Rudolf Drexler erntete als Obereunuch herzhafte Lacher.

Das übrige Ensemble war mit persönlichem Engagement bei der Sache. Für die drei Tanzeinlagen könnte Dia Luca allerdings interessantere Choreographien entwerfen. Für die musikalische Realisierung voll Animo und Brio sorgte am Dirigentenpult Anton Paulik. — Dennoch wäre es an der Zeit, das attraktive Werk endlich in einer auch optisch reizvolleren Inszenierung neu zu präsentieren.

Paul Abraham, der am 6. Mai 1960 in einer Klinik bei Hamburg gestorben ist, nachdem er die letzten zehn Jahre seines Lebens in geistiger Umnachtung verbracht hatte, erzielte genau dreißig Jahre vorher seine größten Erfolge mit „Ball im Savoy“, „Viktoria und ihr Husar“ und „Die Blume von Hawaii“, deren Uraufführung 1931 in Leipzig stattfand. Damals hatte diese zweiaktige Ausstattungsoperette vier Autoren Bei der radikalen Neufassung, die gegenwärtig im Raimundtheater gezeigt

wird, sind vier weitere hinzugekommen: Hugo Wiener und Fred Paul als Textgestalter, Oswald Caesar zeichnet für die Neuinstrumentierung und Dr. Leopold Mayer, der die Premiere dirigierte, für die musikalische Neufassung. Wir ziehen, ehrlich gesagt, den alten Originalklang vor, zumal es auch in der Urfassung bereits gestopfte Trompeten, weiche Posaunenmelodien, pikante Klavierkaskaden und enggeführte Saxophonstimmen gab. Aber es muß heutzutage eben alles ein wenig auf-gemascherlt werden, und zwar nicht nur instrumental. Da gibt es —-neben vielen anderen Änderungen —, als Einlagen in der ohnedies turbulenten Handlung, eine motorisierte Verbrecherj agd quer über die Bühne und im 2. Teil ein ausgiebiges (übrigens sehr schön geblasenes) Trompetensolo im Scheinwerferlicht vor dem Vorhang...

Doch wir sind hauptsächlich wegen Marika Rökk ins Theater gegangen

— und kamen den ganzen Abend lang aus dem Staunen nicht heraus. Diese Frau ist ein Wunder der Natur: Seit mehr als dreißig Jahren wirbelt sie über die Bühne, tanzt, agiert, setzt Pointen, singt und spricht ihren langen Text. Die dem Programmheft beigegebenen Photos zeigen, daß sich die Rökk innerhalb des letzten Jahrzehnts ebenso wenig verändert hat wie ihr Akzent. Von den vielen „Kostümen“ standen ihr ein ganz einfaches, enganliegendes aus schwarzem Satin und das eines britischen Schiffsoffiziers am besten.

— Doch mag man über der strahlenden äußeren Erscheinung das eminente Können dieser Frau nicht unterschätzen. Auch vermied sie es, ihre Partner an die Wand zu spielen: die mit damenhaftem Charme agierende und schön singende Marion Briner (Laya, Prinzessin von Hawaii), Ernst Schütz als Prinzen Lilo Taro sowie das originelle Buffopaar Lydia Weiß und Kurt Liederer. Die vielen Kostüme entwarf Gerdago, die sehr praktikablen Bühnenbilder Ferry Windberper. Das Orchester koordinierte Dr. Leopold Mayer mit der Bühne, ihren Solisten, dem Chor und dem Ballett (Rein Este): mit Routine, Eleganz und rhythmischer Finesse.

Dem von der Spitzhacke geretteten Raimundtheater und seinem Direktor Rudolf Marik wünschen wir einen anhaltenden Serienerfolg, der, nach der Premierenstimmung zu schließen, sich mit Sicherheit einstellen wird.

Helmut A. Fiechtner

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