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Bulgaren mit „Boris“

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Zum erstenmal gastierte, mit ihren eigenen Solisten und Dekorationen, mit Chor und Orchester, die „Nationaloper Sofia“ in Wien. Ihre Anfänge gehen auf eine 1890 gegründete Dramen-und Operntruppe zurück, die jedoch bald einging. Die 1907 aus privaten Mäzenen gebildete „Vereinigung der Opernfreunde“ hatte mehr Erfolg, denn sie empfing seit 1922 staatliche Subventionen und konnte eine Reihe von Solisten in die Welt schicken. Aber erst nach 1945 erlangte die Sofioter Oper internationales Ansehen, vor allem durch ihre stets auch im Ausland gastierenden oder sich ansiedelnden Spitzenkräfte, aber auch durch Gastspiele in Moskau, Neapel, Barcelona, Paris, Budapest, Berlin und anderen Städten.

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Zum erstenmal gastierte, mit ihren eigenen Solisten und Dekorationen, mit Chor und Orchester, die „Nationaloper Sofia“ in Wien. Ihre Anfänge gehen auf eine 1890 gegründete Dramen-und Operntruppe zurück, die jedoch bald einging. Die 1907 aus privaten Mäzenen gebildete „Vereinigung der Opernfreunde“ hatte mehr Erfolg, denn sie empfing seit 1922 staatliche Subventionen und konnte eine Reihe von Solisten in die Welt schicken. Aber erst nach 1945 erlangte die Sofioter Oper internationales Ansehen, vor allem durch ihre stets auch im Ausland gastierenden oder sich ansiedelnden Spitzenkräfte, aber auch durch Gastspiele in Moskau, Neapel, Barcelona, Paris, Budapest, Berlin und anderen Städten.

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Daher hatte die Nervosität der Solisten und des Chores am vergangenen Samstag, dem ersten Abend ihres Gastspieles, andere Gründe als Premierenangst und Lampenfieber: es war die Lethargie eines ganz merkwürdigen Publikums, das argwöhnisch abwartete — und erst imvierten Bild dem entlaufenen Mönch warlaam fNedeltsöfeo->Paft(rlow)iieiWe kTe^eö'5S2eteeniapift^^%e de*i??-a*-Nachdem im 2. Akt auch der Träger der Hauptpartie, Nicola Ghiuslew, akklamiert worden war — eine dominierende Sängerpersönlichkeit! —, schien die Truppe wie verwandeilt: man begann sich lebhafter zu bewegen und sich „freräusingen''. Und war hielt man sich an die bewährte zweite Fassung des Meisterwerkes von Modest Mussorgsky durch Rimski-Korsakow. Nur zur Erinnerung: Zwei Jahre nach Puschkins Tod, dessen Boris-Drama durchgefallen war, wurde Mussorgsky geboren (1839). Der „Ur-Boris“ wird dem Kaiserlichen Theater von Petersburg 1870 vorgelegt und zurückgewiesen. Erst vier Jahre später kommt es doch noch zur Uraufführung. Das Werk konnte sich aber erst in der bereits erwähnten Bearbeitung weltweit durchsetzen.

Doch zurück zu unserer Aufführung: Am Pult stand ein soignierter grauhaariger Herr, Assen Naidenow, souveräner Leiter eines disziplinierten Ensembles, das keiner anfeuernden Bewegungen bedarf. Der Stil der Darstellung ist von einer gewissen Statik geprägt, was bei den Voflkszenen, wo meist viel tölpisoher Unfug verübt wird, wohltuend wirkt. — Diese zurückhaltende, stets richtige und sinnvolle Spielleitung ist dem Regisseur Emil Boschnakow zu danken, der übrigens an keiner einzigen Stelle den Versuch machte, diesem Meisterwerk der slawischen Opernliteratur Sozialrevolutionäre Züge zu verleihen. (Solche Experimente sind westlichen Regisseuren vorbehalten.) Hier wurde alles brav nach dem Textbuch nacherzählt, vielleicht ein wenig zu episch, ohne effektvolle dramatische Gegensätze. Auch trat „das Volk“ nicht in Lumpen auf und wurde nicht verprügelt. Hingegen hat man alle zaristisch-orthodoxen Zeremonien breit und „standesgemäß“ ausgespielt.

Das Sängerensemble hatte sehr hohes Niveau, und auch an Nachwuchs scheint in Bulgarien kein Mangel au herrschen. Es wäre ungerecht, einzelne hervorzuheben, denn hier spielte und sang ein Ensemble, von dem wir nur noch träumen können. (Ab und zu, wie neulich in .Palestrina“, wird dieser Traum Wirklichkeit.) Die Herren Paunow (Schujski), Stoilov (Mönch Pinien), der ein wenig füliige falsche Dimitri von Dlmiter Damianow, der Geheimschreiber Wassilew u. a. hatten den gleichen Rang wie die beiden bildhübschen und glockenrein intonierenden Damen Blago-westa Karnobatlowa (Xenia) und Alexandrina Miltschetoa als Marina, Tochter des Wojewoden von Sandomir. Nicht zu vergessen die Nebenrollen, für die hier nur die Namen der beiden „Jesuiten“ Katzarski und Dimitrov stehen mögen.

Dezenz und Zurückhaltung zeigte auch der Ausstatter Nicola Benois, der es aber, wo's drauf ankam, an einem sehr sachgerechten „orthodoxen“ Prunk nicht fehlen ließ, vor allem in den herrlichen Kirchenfahnen und in einigen Kostümen sowie in dem immer etwas problematischen „Polenakt“ mit seinem Ballett zu zündenden Mazurka-Rhythmen.

Gesungen wurde in der Originalsprache. Aber es war ein sehr merkwürdiges, bulgarisch-rauhes Russisch, das beim Chor stärker bemerkbar war als bei den Solisten.

Ein ähnlicher Effekt, wie ich ihn einmal erlebte, als eine spanische, genauer: eine südamerikanische Sängerin Lieder von Debussy sang: Man mußte eine ganze Weile genau hinhören, um 6ich zu überzeugen, daß es eben doch Französisch — und nicht etwa Spanisch-Portugiesisches war.) — Im Ganzen: eine bemerkenswerte Aufführung, deren Intensität sich von Akt zu Akt steigerte und das anfangs spröde Publikum mitriß.

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