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„Sissy“ und „Narren“

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Um das Jahr 1930, zur gleichen Zeit, als Ralph Benatzky und sein Librettistenteam den alten Kaiser Franz Joseph als gütigen Deus ex machina mit grünem Generalsfederbusch im „Weißen Rössel“ erscheinen ließen, griffen die Brüder Ernst und Hubert Marischka den bereits von Decsey und Holm dramatisierten Anekdotenkranz um Liebe und Verlobung des jungen Monarchen auf. Fritz Kreisler adaptierte die bekanntesten seiner eingängigen, sangbaren Salon-Piecen und ließ sich ein paar neue hübsche Melodien einfallen. So entstand das Singspiel ,£issy“, in der ausklingenden „silbernen“ Epoche gleichsam ein filigranes Gebilde aus Silberdraht. Und „Sissy“ brachte dem Publikum in den verdüsterten Tagen der Wirtschaftskrise auf der Bühne ungetrübtes Ischler Kaiserwetter und schwarz-gelbe Nostalgie.

Nun inszenierte Honved-Leutnant a. D. Karl Farkas im Raimundtheater mit der Töchter- und Söhnegeneration den einstigen Wessely-Jaray-Erfolg. Einige Raffungen hätten freilich ganz gutgetan, denn ein Singspiel sollte man möglichst gewichtlos halten und nicht mit der Spieldauer von nahezu drei Stunden beschweren. Daß das Publikum dennoch bis zum Schluß mitging, erklärt sich nicht zuletzt aus dem emotionalen Mtmarohisrnus der Wiener, die nie die Hände im Schoß ruhen lassen, wenn der Kaiser unter den Klängen der Volkshymne ins Rampenlicht tritt. Zum anderen ist es Peter Fröhlich zu danken, der den Allerhöchsten Jüngling mit verhaltenem Charme und Eleganz ausstattet. Und natürlich Ulli Fessl, der Sissy des Abends, einem unbeschwert-anmutigen Wittelsbache-rischen Naturkind. Kühl bis ans Herz hinan, im Tonfall eher bobby-haft als schönbrunnerisch, die sehr dekorative Erzherzogin Sophie von Grete Zimmer, liebenswürdig in ihrer ratlosen Mütterlichkeit Friedl Czepa als Herzogin Luise. Mario Haindorff als Herzog Max viel zu billig, wie ein Wiener Gastwirt, der beim Trachtenverein «D' lustigen Tegernseer“ ist. Das einzige Bayerische an ihm ist eine gewisse Ähnlichkeit mit Franz Josef, nicht dem Kaiser, sondern dem Strauß gleichen Namens. Szenenapplaus für Franz Pfister. Er hat zwar kaum drei Dutzend Sätze zu sagen, doch die spricht er in der Maske des greisen Vaters Radetzky.

Einen hochinteressanten Pantomimenabend tschechoslowakischer Künstler unter Ladislav Fialka vom Prager „Theater am Geländer“ gibt es derzeit im Theater an der Wien: „Die Narren oder Der sonderbare Traum eines Clowns.“ Man staunt dabei immer wieder, über welch weitgespanntes Register pantomimischer Darstellung diese „Narren“ und träumenden Clowns verfügen. Es reicht von der „einfachen“ Hans-wurstiade bis zum Fall des Herrn K. nach Kafka — von der brillant aufgezogenen Commedia dell'arte bis zur eigenwilligen Dramatisierung einiger Grundsituationen aus dem „Schloß“. Auif den Gedanken, daß es sich da um unvereinbare Gegensätze handeln könnte, kommt man bei Fialkas Ensemble nie, obwohl die Übergänge von „Ernst“ zu „Heiter“ meist sehr abrupt erfolgen: Unter der Narrenkappe ist eben alles unterzubringen... Besonders hervorzuheben sind die „Spiele für den Prinzen Hamlet“ und die „Kleinen Narreteien“. Hier erweist sich jeder einzelne Darsteller als subtiler Musikclown, dort Ladislav Fialka als Pantomime vom Weltformat. Kostüme und Beleuchtung fallen durch Raffinement und Exaktheit auf, die Musik spielt eine wichtige Rolle. Ein glänzender Abend mit hintergründiger Unterhaltung.

A. T.

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