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Huldigung für Franz Schmidt

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Das Tiroler Landestheater feierte den 100. Geburtstag des Komponisten Franz Schmidt mit der Innsbrucker Erstaufführung seiner Oper „Notre Dame”. — Franz Schmidt ist dem Publikum bisher hauptsächlich als Symphoniker bekannt geworden. In Innsbruck wurden seine vier Symphonien aufgeführt von den Musikdirektoren Weidlich, Rapf, Wagner und Randolf, aber schon unter Emil Schermich gastierte Paul Wittgenstein als Solist mit den „Konzertanten Variationen über ein Thema von Beethoven” für Klavier und Orchester. Kurt Rapf brachte immer wieder Orgelmusik von Schmidt. Ein Höhepunkt des Tiroler Musiklebens war vor Jahren die Aufführung des Oratoriums „Das Buch mit den sieben Siegeln” unter dem Gastdirigenten Lubomir Ro- mansky.

Nun nahm das Tiroler Landestheater zur Freude aller Schmidt- Verehrer den Anlaß wahr, mit einer der beiden Opern des Künstlers bekannt zu machen. Intendant Helmut Wlasak hielt eine kurze Laudatio auf den Komponisten. Die dann folgende Aufführung von „Notre Dame” übertraf an musikalischer Substanz und Darbietung alle Erwartungen.

Der Inhalt von Victor Hugos „Notre Dame de Paris” wird im Libretto von Schmidt und Leopold Wilk von der rein ästhetisierend artistischen Beschreibung zu einem echten Drama; die Personen handeln konsequent, von starken Gefühlen getragen, ihrer Überzeugung gemäß. Bei Hugo ist das Ziel des Romans eine Evozierung des malerisch bunten mittelalterlichen Paris und der geheimnisvollen, romantisch aufgefaßten Kathedrale. Bei Schmidt tritt das Drama der Personen stärker hervor, ist nicht Mittel, sondern Zweck der künstlerischen Handlung. In der musikalischen Gestaltung zeigt sich das zum Beispiel in der leitmotivischen Arbeit. Allgemein bekannt, geradezu populär ist etwa das ungarische Motiv der Zigeunerin Esmeralda. Diesen dramatischmusikalischen Aspekt herauszuarbeiten 1st die Aufgabe einer Inszenierung der Oper. In der Innsbrucker Aufführung aber wurde im bekannten Zwischenspiel dieses ungarische Motiv mit dem projizierten Bild der Rosette der Kirche verbunden. Dies ist Anzeichen für eine Interpretation, bei der dem Malerisch-Romantischen mehr und dem Drama der Personen weniger Bedeutung zugemessen wurde, als es im Werk angelegt erscheint. Hier liegt freilich der einzige Einwand, den man gegen diese wirkungsvolle Aufführung erheben kann, die von Andrė Diehl effektvoll und sorgfältig inszeniert wurde. Die Bühnengestaltung won Peter Rieder unterstützte die Echtheit der Volksszenen und trug der dramatischen Bewegtheit der Aufführung Rechnung. Edgar Seipenbusch, uns als präziser Interpret bekannt, wußte Dramatik und Durchsichtigkeit der Musik zu verbinden. Unter seiner Leitung vermochte das Orchester der Expressivität der Partitur voll gerecht Zu werden.

Max Hechenleitner verkörperte den Archidiaecnus nach Stimme und Ausdruck voll überzeugend. Ebenso war Gotthard Schubert ein beeindruckender Quasimodo, der auch ohne die überzogene Maske musikalisch und darstellerisch seine Rolle glaubhaft gemacht hätte. Ralf Petri, sonst aus der Operette bekannt, überraschte als Phoebus durch eine starke Leistung in der ernsten Gattung. Slavko Aljinovič gab mit seiner vollen Stimme dem Gringoire Format. Gertraud Eckert, die in dramatischen Rollen schon häufig in Innsbruck brillierte, feierte als Esmeralda Triumphe. Ihre ausdrucksvolle Stimme und ihr darstellerisches Temperament kamen voll zur Geltung.

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