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Hundert gibt es mindestens

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Amtsrat Alfred Strobl ist noch beim Sortieren. Auf seinem Schreibtisch im Unterrichtsministerium türmen sich die Schülerzeitungen, die zum Schülerzeitungswettbewerb 1978 (Einsendeschluß: 31. Jänner 1979) eingereicht wurden. Dieser seit 1975 alljährlich durchgeführte Be-werb ist die eine Möglichkeit, Österreichs Schülerpresse zahlenmäßig einigermaßen zu erfassen, die andere ist die Mitgliederliste der „Gewerkschaftsgruppe Schülerzeitungen“ (GGS), einer Fachgruppe der Sektion Journalisten In der Gewerkschaft Kunst, Medien und freie Berufe.

Registrierte man im Unterrichtsministerium für 1976 56, im Folgejahr 40 und für 1977 53 Einreichungen, so hält die GGS bereits bei knapp über hundert ordentlichen Mitgliedern. Auch das dürfte nicht der Weisheit letzter Schluß sein, da sich immer wieder Zeitungen am Wettbewerb des Unterrichtsministeriums beteiligen, die nicht der GGS angehören. Es muß demnach weit über hundert Schülerzeitungen in Österreich geben, wobei etwa der längst als Pop-und Jugendmagazin etablierte „Rennbahn-Expreß“ nicht mehr mitgerechnet werden darf.

Exakte statistische Daten wurden bisher nur beim Wettbewerb 1975 erhoben, wobei die einzelnen Zahlen längst überholt und nur noch als grobe Richtlinien brauchbar sind. Demnach halten sich die meisten Schülerzeitungen nur wenige Jahre und gehen nach dem Ausscheiden der Redakteure oft ein oder wechseln zumindest ihren Namen. Eine relativ lange Tradition ließ sich vor allem an katholischen Privatschulen nachweisen.

Die Gesamtauflage lag bereits 1975 bei den damals erfaßten Blättern nahe an 100.000 und dürfte seither noch beträchtlich zugenommen haben; die Zahl der Leser muß natürlich noch wesentlich höher angesetzt werden.

Unter den Bewerbern fallen immer wieder zwei fremdsprachige Blätter auf: „Pogovori“ (Klagenfurt) erscheint in ■ slowenischer, „English Club Magazine“ (Mürzzuschlag) in englischer Sprache.

Der überwiegende Teil der Zeitungen wird von AHS-Schülern verfaßt und ist standortgebunden. Einige Zeitungen erfassen mehrere Schulen eines Ortes oder eines Gebietes, wenige sind überregional, nämlich in einem ganzen Bundesland oder darüber hinaus, verbreitet. Hinter einer Reihe lokaler Schülerzeitungen stehen aber diverse bundesweite Organisationen. In letzter Zeit hat sich hier besonders die ÖVP-nahe Union Höherer Schüler (UHS) hervorgetan.

Das Unterrichtsministerium - so die Richtlinien für die Preiswürdigkeit beim Wettbewerb - legt Wert auf:

• journalistische Leistung,

• Aufgeschlossenheit für die Anliegen und Probleme der Schüler,

• Bereitschaft zur demokratischen Auseinandersetzung und

• Mitwirkung an den Bildungsaufgaben der österreichischen Schule.

Drei Zeitungen, die bei allen drei bisherigen Wettbewerben ausgezeichnet wurden, entsprechen diesen Anforderungen nach Meinung der Juroren (jeweils drei Schülervertreter, drei Lehrer und drei Journalisten) anscheinend am ehesten: „Die Lupe“ (Kinderdorf Pöttsching), „Kritik“ (Wien, überregional) und „Steinzeitung“ (Stiftsgymnasium Melk). Je zweimal sicherten sich „Die Rübe“ (Vorarlberg, überregional), „Wühlmaus“ (Vöcklabruck), „Acta“ (Klagenfurt), „Sintflut“ (Bundesrealgymnasium Wien XVI) und „Schüler-Express“ (St. Pölten, überregional) einen Förderungspreis.

Während die überregionalen Zeitungen, deren Redakteure oft die Schule schon verlassen haben, nicht selten das ganze Sendungsbewußtsein von „Organen der unterdrückten Schülerschaft“ in die Waagschale werfen und beinharte Kritik an Mißständen in einzelnen Schulen, im ganzen Schul- und Gesellschaftssystem äußern, gehen die standortgebundenen (nur aus Angst vor Repressalien?) mit den Lehrern und der Institution Schule sanfter um.

Thema Nummer 1 ist in der Regel der Schulalltag (Schulgemein-schaftsausschuß, Sport, Interviews mit Professoren), oft ergänzt um Freizeitthemen (Schallplatten, Konzerte, Bücher, Filme) und Fragen von allgemeinem (etwa Atomkraftwerke, Rauschgift), insbesondere aber schulischem Interesse (Religionsunterricht, Gesamtschule, Fünftagewoche).

Die größten Sorgen bereiten den Schülerzeitungsredakteuren die geringe Zahl geeigneter und fleißiger Mitarbeiter und die Herstellungskosten, die oft nur durch Inserate (laut Interpretation des Unterrichtsministeriums keine verbotene „schulfremde Werbung“) aufgebracht werden können.

Daß im Zusammenhang mit Schülerzeitungen alle noch lernen müssen, beweisen nicht zuletzt die von der GGS dokumentierten Fälle von Zensur samt Maßregelung der jeweiligen Redakteure. Die Schüler sollten lernen, daß Pressefreiheit kein Vorwand sein darf, sich endlich Frechheiten gegenüber den Lehrern herauszunehmen (die Versuchung ist sicher groß, das weiß jeder ehemalige Schülerzeitungsredakteur) -, die Lehrer, daß wahre Autorität auf autoritäre Maßnahmen verzichten kann. Aber das ist im Einzelfall sicher leichter gesagt als getan.

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