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Digital In Arbeit

Indischer Tanz und Live-Elektronik

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Die Programmstruktur glich äußerlich den Vorjahren; Wagner-Seminar, Arbeitskreise für Chor, Orchester, Kammermusik, Schlagzeug, Diskussionen. Aber inhaltlich waltete ein glücklicher Stern über dem diesjährigen Internationalen Jugend- festspieltreifen in Bayreuth, wo sich wieder rund 400 Jugendliche aus 24 Nationen (stark vertreten erneut der Ostblock) im Schatten Wagners zu gemeinsamer künstlerischer Arbeit versammelt hatten. Die künstlerische Potenz der einzelnen Teilnehmer schien durchweg stärker als in den Vorjahren, das Leistungsniveau von Chor und Orchester war in den Schlußkonzerten bestechend.

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Die Programmstruktur glich äußerlich den Vorjahren; Wagner-Seminar, Arbeitskreise für Chor, Orchester, Kammermusik, Schlagzeug, Diskussionen. Aber inhaltlich waltete ein glücklicher Stern über dem diesjährigen Internationalen Jugend- festspieltreifen in Bayreuth, wo sich wieder rund 400 Jugendliche aus 24 Nationen (stark vertreten erneut der Ostblock) im Schatten Wagners zu gemeinsamer künstlerischer Arbeit versammelt hatten. Die künstlerische Potenz der einzelnen Teilnehmer schien durchweg stärker als in den Vorjahren, das Leistungsniveau von Chor und Orchester war in den Schlußkonzerten bestechend.

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Neu war ein von Dieter Salbert geleiteter Kurs für Live-Elektronik, dessen Resultate in einem eigenen Konzert vorgestellt wurden. Was geboten wurde, war durchweg interessant und hörenswert, wenn auch von unterschiedlicher Qualität, weU sich in diesem Genre der Neuling zwangsläufig primär mit den technischen Phänomenen auseinandersetzt, ehe es zu einer eigenen Aussage kommt. Salbert steuert eine eigene Komposition bei: „Ode an eine Uhr in der Nacht“, in der das Ticken einer Uhr, das Klopfen des Herzens aus einer Geräuschkulisse herausdestilliert werden und eine Frauenstimme zu Klängen des Clavichords Texte von Pablo Neruda singt.

Ein weiteres Novum war ein Kurs für klassischen indischen Tanz. Soruil Masingh aus New Delhi brachte einer Interessentengruppe die Grundbegriffe bei und demonstrierte an einem Albend, wie schwierig und subtil diese Kunst im Stadium der Meisterschaft ist: getanzte Sprache, in Ausdruck transponierte Gedanken mit einem Bewegungsvokabular von der L.ie- besemotion bis zur gesteigerten Dramatik. Kombiniert war dieser fernöstliche Exkurs mit einer Aufführung von Strawinskys „Geschichte vom Soldaten“ durch das Hamburger „Studio Experimentelles Musiktheater“. Ein fast sohmerzlicher Kontrast: Erst weich fließendes

B eovegimssfUigj-an, ¿4130, Brutalitäten in den Rhythaaen TWd in den instrumentalen Kontrasten zwischen Diskant- und Baßinstrumenten der Moritat vom Teufelspakt des Soldaten.

Das Orchesterkonzert unter der Leitung des Münchners Erich Bergei hatte in diesem Jahr solche Qualität, daß man sich die — natürlich müßige — Frage stellte, ob es denn nicht möglich sei, diesen Klangkörper über das Treffen hinaus zusammenzuhalten. Es war nicht das Ad-hoc-Spiel zusammengewürfelter Musiker, es klang nach Kontinuität, was in drei Wochen erarbeitet worden ist: die 1. Symphonie von George Enescu, Hindemiths Symphonie „Mathis der Maler“ und die Wesendoncklieder von Richard Wagner. Im Orchester waren alle Gruppen (intensive Streicher,

Holzbläser von solistischem Rang sowie glanz- und klangvolle Blechbläser) ebenbürtig besetzt, so daß Erldi Bergei seine Sorgfalt auf die Interpretation verwenden konnte und nichts in der reinen Bewältigung des Technischen befangen blieb.

Ähnliche Resultate vermittelten die beiden Schlußkonzerte. Der von Wolfgang Schubert betreute Chor brachte neuere Vokalliteratur: die Hradschiner Lieder von Leos Janä- öek, Wilhelm Killmayers „Canti amorosi“ sowie „An Ode for M\astc“ und die „Volkstänze aus Kallo“ von Kod&ly. Die jungen Sänger zeichneten sich bei diesen Werken nicht allein durch Frische und Spontaneität aus, sie hatten auch das spezifische Verhältnis zur Eigenart der unterschiedlichen Tonsprache gewonnen: Bei Janaiek war der herbsüße Klangcharakter getroffen, bei Killmayer das südländische Leggiero und die romanische Clarté, bei Kodâly das urtümliche und rhyth-

‘ ‘Abend- wÉr ein sionstrip der modernen Musik. Robert Hinze (Hamburg) und sein Aibeitskreis für Schlagzeug präsentierten Kompositionen von Werner Heider, Karlheinz Stockhausen, Jolyon Bretüngham-Shmith, Arghy- ris Kounadis und Kazimierz Serocki. Es ist nicht alles schöpferische Potenz in diesen Werken, aber sie zeigen Möglichkeiten und Wege und sind deshalb wichtig. Bemerkenswert war es dabei, wie in diesem Rahmen Stockhausens ,Kreuzspiel“ von 1951, jener bahnbrechende Versuch des punktuellen Verfahrens, bereits als Veteran im Programm stand. Robert Hinze, der seit einigen Jahren diese Sparte beim Jugendfestspieltreffen leitet, ist es gelungen, gegenüber den kniffligen, teils graphisch notierten Partituren das Gefühl für experimentelle Freiheit zu wecken, dazu aber auch die Konzentration auf den minuziösen Ablauf der Zeiteinheiten. Vor allem versteht sich Hinze auf die feinen Valeurs, aufs Misteriose und den Spannungswert der Pausen; er achtet peinlich auf Transparenz, so daß es nie zu bloßen Orgien des Schlagwerks kommt.

Insgesamt eine erfreuliche Saison, die aber auch mahnend gezeigt hat, auf welch hohem Niveau die Musiker des Ostblocks stehen und wie prächtig es mit dem Musiker- nachwuchs in Rumänien, Bulgarien, Polen und Ungarn bestellt ist.

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