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Kein Kirtag, keine Show

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Was kann beim Katholikentag „herauskommen"? Was „bringt" der Papstbesuch? Jenseits euphorischer Bekenntnisse soll eine nüchterne Einschätzung der Auswirkungen versucht werden.

In wenigen Tagen beginnt in Wien der österreichische Katholikentag, wird Papst Johannes Paul II. zu seinem Besuch in Österreich erwartet. Welche Bedeutung werden diese Ereignisse für die katholische Kirche, für die Christen und alle Menschen in Österreich haben?

Vor Eröffnung des Zweiten Vatikanischen Konzils sprach Papst Johannes XXIII. von einem neuen Pfingsten. Diese Sehnsucht nach einem neuen Pfingsten ist seither in vielen Christen lebendig geblieben. Können Papstbesuch und Katholikentag zu einem neuen Pfingsten für die Kirche in Österreich beitragen?

Ein neues Pfingsten ist wie das erste Pfingsten ein Wirksam- und Sichtbarwerden der inneren — vom Geist Gottes gewirkten — Kräfte der Kirche; ein neuer Anfang, ein geistiger Aufbruch. Dieser geistige Aufbruch, der Umkehr, Glaube, Hoffnung und Liebe lebendig werden läßt, ist von Menschen allein weder machbar noch erzwingbar. Das gilt auch für den Katholikentag und den Papstbesuch. Was wir letztlich erhoffen, ist ein Geschenk Gottes und ein Ergebnis der freien Entscheidung eines jeden einzelnen Menschen.

Ein Mitbruder nannte den Delegiertentag in Salzburg, auf dem die geistige Plattform des Katholikentages diskutiert wurde und sich viele offene Fragen und manche Ratlosigkeit zeigten, ein Warten auf den Heiligen Geist. Das Gelingen des Katholikentages wird auch davon abhängen, ob genug Menschen — im Bewußtsein der Nöte der Menschen und der Kirche heute - betend auf den Heiligen Geist "gewartet haben. Kein Mensch, auch nicht der Papst, hat Gewalt über Gott und kann über die Herzen der Menschen verfügen. Wir können alle nur beten: Komm, Heiliger Geist!

Trotzdem: wo es zu einem geistigen Aufbruch kommt, geht es nicht ohne volles Engagement von Menschen. Gottes Geist wirkt durch Menschen, die er erfüllt, befähigt und beauftragt. „Ob die Kirchen den erfüllten, den von göttlichen Kräften erfüllten, schöpferischen Menschen aus sich entlassen, das ist ihr Schicksal." Dieses Wort von Alfred Delp, in einer schweren Zeit ausgesprochen, hat an Aktualität nichts verloren. Wir brauchen geisterfüllte Menschen, die hungern und dürsten nach Wahrheit und Gerechtigkeit; deren Leben gezeichnet ist von den Früchten des Geistes, von Liebe, Freude, Friede, Langmut, Freundlichkeit, Treue (vgl. Gal 5.22f).

Die Bedeutung von Katholikentag und Papstbesuch wird auch davon abhängen, inwiefern sich bei diesem Anlaß geisterfüllte Menschen versammeln, einander begegnen und sich gegenseitig mit dieser Geistigkeit anstecken. Dies betrifft nicht nur den Papst und alle jene, die unmittelbar zu Wort kommen, sondern alle, die irgendwie beteiligt sind oder teilnehmen. Denn ein Kennzeichen von Pfingsten war, daß über alle, auch ' über die Knechte und Mägde, der Geist Gottes ausgegossen wurde (vgl. Apg 2.17f).

Pfingsten ist ein Ereignis der Öffentlichkeit. Petrus tritt zusammen mit den Elf — nicht allein — vor die Öffentlichkeit der Stadt Jerusalem. Die Apostel überwinden Kleinmut und Angst und sprechen in Freimut über Jesus Christus den Gekreuzigten und Auferstandenen. Sie bezeugen öf-

,,Katholikentag und Papstbesuch geschehen in einer Öffentlichkeit, wie sie die Kirche in Österreich schon lange nicht hatte." fentlich ihre Hoffnung und werden von Menschen mit verschiedener Sprache verstanden. In diesem Ereignis tritt die verborgene Kraft Gottes selbst vor die Augen der Menschen.

Katholikentag und Papstbesuch geschehen - speziell auch durch die Masserunedien - in einer Öffentlichkeit, wie sie die Kirche in Österreich schon lange nicht hatte und auch lange nicht haben wird. Das Beten, Feiern und Sprechen soll Verkündigung des Evangeliums sein. Jeder kann auf seine Weise daran mitwirken. Es wird sehr wichtig sein, daß alle, die irgendwie zu Wort kommen, eine Sprache des Glaubens finden, die viele verstehen und die tatsächlich die Hoffnung bezeugen, die uns in Jesus Christus geschenkt ist.

Beim ersten Pfingsten waren viele betroffen: „Sie sagten zu Petrus und den übrigen Aposteln: Was sollen wir tun, Brüder?" (Apg 2,37). Viele nahmen damals, so heißt es in der Bibel, das Wort an, bekehrten sich und wurden der Gemeinschaft der Glaubenden beigefügt.

Katholikentag ist kein Kirtag, und der Papstbesuch ist keine Show. Auf solche Weise entstünde keine erneuerte Kirche und würde auch kaum einem Menschen ernstlich geholfen. Ein neues Pfingsten entsteht dort, wo Glaubende und Nichtglaubende in ihrem Herzen betroffen werden und ,,Nicht nur Gegnerschaft, sondern auch Spott tritt dort auf, wo Gottes Geist Menschen erfaßt." ihr Leben verändern. Das christliche Wort für Veränderung ist Umkehr.

Das Evangelium vom barmherzigen Vater, das wir beim Festgottesdienst im Donaupark hören, ist eine menschenfreundliche Einladung zur Umkehr nicht nur des einzelnen, sondern auch der Kirche und ihrer Gemeinschaften, der Städte und Dörfer.

Zu Pfingsten gehört auch der Spott: „Die einen sagten zueinander: was hat das zu bedeuten? Andere spotteten: Sie sind vom süßen Wein betrunken" (Apg 2,12). Nicht nur Gegnerschaft, sondern auch Spott tritt dort auf, wo Gottes Geist Menschen erfaßt und sie zu neuem, unvorhersehbarem Handeln befähigt. Spott wird auch dem Katholikentag und Papstbesuch nicht erspart bleiben. Möge die Ursache dieses Spottes das Wirken des Geistes Gottes in und durch Menschen sein und nicht die Unz61änglich-keit der Beteiligten.

Pfingsten ereignet sich jeden Tag. Darum ist die Erwartung, daß Katholikentag und Papstbesuch einen Beitrag zu einem neuen Pfingsten für die Kirche von Österreich leisten, nicht vermessen. Wir dürfen hoffen. Aber wie die Apostel nach Pfingsten alles taten, um das Begonnene fortzuführen, werden auch wir nachher nicht ausruhen können.

Der Autor ist der Geistliche Assistent des Osterreichischen Katholikentages.

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