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Keine Ausnahmen für die Klöster

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Nach dem Skandal in Stift Rein: Wie wirtschaften kirchliche Betriebe? Wer kontrolliert die Stifte und Klöster? Wie steht es mit dem Nachwuchs in den Führungsgremien?

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Nach dem Skandal in Stift Rein: Wie wirtschaften kirchliche Betriebe? Wer kontrolliert die Stifte und Klöster? Wie steht es mit dem Nachwuchs in den Führungsgremien?

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FURCHE: Ein Stift wie Klosterneuburg ist nicht nur ein Ort der Meditation, sondern auch ein Wirtschaftskörper mit Einnahmen' und Ausgaben, die eine Buchhaltung erfordern, mit Menschen, die in und vom Stift leben. Wie wirtschaftet ein Stift?

GENERALABT GEBHART KOBERGER: Jeder Orden, ob Chorherren oder Zisterzienser, hat eine Konstitution, wonach nicht nur das geistliche Leben, sondern auch die wirtschaftliche Führung geregelt ist. Hier ist genau festgelegt, welche Befugnisse ein Abt hat oder welche ein Schuldirektor eines Stiftes. Der Probst ernennt dann nach Befragung eines Gremiums, des sogenannten Kapitelrates, diejenigen, die die wirtschaftlichen Belange in die Hand nehmen.

FURCHE: Sind das nur Mitbrüder?

KOBERGER: Das kann ein Mitbruder sein oder ein Laienangestellter, der die fachlichen Voraussetzungen hat.

FURCHE: Hier in Klosterneuburg sind die für die Wirtschaft Verantwortlichen größtenteils Laien. Welche Ausbildung haben diese Mitarbeiter?

KOBERGER: Je nach dem Tätigkeitsbereich sind sie Absolventen der Wirtschaftsuniversität oder der Universität für Bodenkultur. Nur zwei Mitbrüder tragen die Verantwortung für einen Wirtschaftsbereich. Ein Mitbruder hat die Oberaufsicht über die steuerlichen und betrieblichen Belange des Stiftes. Der andere überwacht den hausinternen Bereich (Küche oder Speisesaal), der dem Wohl der Mitbrüder dient.

FURCHE: Sind Sie, was das Personal betrifft, an Kollektivverträge gebunden?

KOBERGER: Ja, wir haben auch einen Betriebsrat.

FURCHE: Genießen kirchliche B etrie be gegenü ber staatlich oder privatwirtschaftlich geführten Unternehmen irgendwelche Privilegien?

KOBERGER: Wir unterliegen den gleichen steuerlichen Verpflichtungen, haben eine Buchhaltung für die einzelnen Betriebe zu führen, werden geprüft und sind bei schlechter Betriebsführung einem Konkurs ausgeliefert wie jeder andere auch. Eine Ausnahme gibt es nur bei der Grundstücksverwaltung, etwa beim Stift oder bei den Weinbergen. Sie unterliegt staatlichem und kirchlichem Recht.

FURCHE:Dort kanndannnicht der Gerichtsvollzieher den „JKuk-kuck“ drauf kleben? Was ist, wenn einer ihrer Betriebe in finanzielle Schwierigkeiten kommt?

KOBERGER: Bei uns sind zum Beispiel die Weinstöcke überaltert, und wir müssen größere Inve-

stitionen tätigen. Es muß zuerst das Kelleramt selbst schauen, wie es das nötige Geld aufbringt. Erst dann wird nötigenfalls etwas aus dem Stift verpachtet oder verkauft.

FURCHE: Wenn einer Ihrer Laienangestellten die Vorschriften verletzt, wird er belangt wie jeder andere? Was ist, wenn ein Mitbruder seine Kompetenzen überschreitet? Wird die Angelegenheit normalerweise innerhalb des Ordens bereinigt oder wird er strafrechtlich belangt?

KOBERGER: Zuerst wird der Fall innerhalb des Ordens bereinigt, es sei denn, jemand hätte etwas angestellt, was strafrechtlich zu belangen ist. Ich selbst habe schon Mitarbeiter entlassen, weil sie beispielsweise Produkte schwarz verkauft haben.

FURCHE: Wie kann es passieren, wie im Fall des Stiftes Rein, daß innerhalb von zwölf Jahren 100 Millionen Schilling verschwinden?

KOBERGER: Jeder Propst kann nach der jeweiligen Konstitution über bestimmte Beträge uneingeschränkt verfügen. Es gibt aber Grenzen bei finanziellen Transaktionen, die dem vorhin erwähnten Kapitelrat - er entspricht einem Vorstand - vorgelegt werden müssen. Hier in Klosterneuburg liegt die Grenze meist bei einer Million Schilling, ab der der Kapitelrat seine Zustimmung erteilt. Darüberhinaus müssen Projekte über zehn Millionen Schilling generell vom Va-

tikan genehmigt werden. Rom hat hier auch eine gewisse Kontrollfunktion, was aber nicht bedeutet, daß für diese Transaktionen die Verantwortung übernommen wird.

FURCHE:Im Fall Rein ist es offenbar passiert, daß diese Geneh-

migung nicht eingeholt wurde.. Gibt es keine Kontrolle?

KOBERGER: Solche Fälle sind eine Ausnahme. In den Konstitutionen steht auch drinnen, daß der Generalabt einer Kongregation Visitationspflicht hat und während seiner Amtsperiode fünf oder sechs Jahre hindurch jedes einzelne Stift besuchen muß, sich Bilanzen ansieht und so ein gewisses Einsichts- und Kontrollrecht hat und auch eine gewisse Aufsicht da ist.

FURCHE: Das heißt, im Fall Rein hat auch die Aufsicht versagt?

KOBERGER: Oder die Aufsicht ist falsch informiert worden ...

FURCHE: Nach den Ereignissen rund um das Stift Rein wird sicherlich wieder die Meinung erhärtet, wie reich muß doch diese Kirche sein, daß Beträge in Millionenhöhe unbemerkt „verschwinden“ können und andere Orden offensichtlich problemlos aushelfen können! Jeder Österreicher bekommt es gleich zu spüren, wenn er seine Kirchensteuer nicht bezahlt.

KOBERGER: Daß die Kirche größere Besitzungen hat, ist eine Gegebenheit. Aber man muß dabei genau trennen. Die Kirchen-beiträge^sind für einen bestimmten Zweck, nämlich für die Besoldung der Priester, des Personals, der Erhaltung der Kirchengüter bestimmt, werden genau verwaltet und abgerechnet. Rein ist trotzdem eine Ausnahme, wenn man das Stift mit anderen Wirtschaftskörpern vergleicht.

FURCHE: Ist die Verwaltung eines Stiftes technisch auf dem neuesten Stand?

KOBERGER: Wir verwenden ebenfalls die neuen Technologien, wie Computer etc.

FURCHE: In den meisten Stiften sind die Führungsgremien mit älteren Herren 'besetzt. Zwar wachsen jetzt wieder Nachwuchskräfte heran, dazwischen fehlt es. Zieht nicht da die Gefahr herauf, daß es in absehbarer Zeit ein Loch in der Führungsetage gibt?

KOBERGER: Wir haben oft Wirtschaftstagungen mit meist 400 Teilnehmern. Hier werden nicht nur die Mitbrüder und -Schwestern und die Angestellten über die neuesten Entwicklungen informiert, sondern hier betreibt jeder Orden seine Nachwuchspflege. Trotzdem wird man sich darum kümmern müssen.

Das Gespräch mit dem Generalabt führten Felix Gamillscheg und Elfi Thiemer.

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