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Keine Autorität: Das Versagen der Eltern

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Revoluzzertum ist „out”, Sicherheitsdenken ist „in”. Gleichzeitig leidet „die Jugend von heute” unter Uberreizung, Sättigung und Langeweile. Eine aktuelle europaweite Jugendstudie einer internationalen Werbeagentur zeichnet ein überaus konservatives Bild der 16- bis 18-Jährigen.

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Revoluzzertum ist „out”, Sicherheitsdenken ist „in”. Gleichzeitig leidet „die Jugend von heute” unter Uberreizung, Sättigung und Langeweile. Eine aktuelle europaweite Jugendstudie einer internationalen Werbeagentur zeichnet ein überaus konservatives Bild der 16- bis 18-Jährigen.

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„Das ist jetzt die erste Generation, deren Eltern rebellischer waren, als sie selbst.” - Die Psychologin Angelika Trachtenberg, Autorin der Trendstudie „Future Youth”, sieht ein neues Generationenproblem herankommen: Die fehlende Rebellion der Jugend gegen ihre Eltern. Denn junge Menschen brauchten den Widerspruch zu ihrer Selbstfindung.

Die Gründe für die Konfliktlosig-keit ortet Trachtenberg darin, „daß die jetzige Elterngeneration alles erreicht hat. Sie haben in den sechziger Jahren ihre Revolution gemacht, und sie waren nachher im Beruf überaus erfolgreich - und konnten daher ihren Kindern den totalen Wohlstand bieten.” Aufgrund ihrer liberalen „68er-Mentalität” wären sie zwar „die besten Freunde ihrer Kinder” - als Autoritäten und als Vorbilder hätten sie aber versagt.

Der „totale” Wohlstand

Die unangenehmen Nebenerscheinungen dieses „totalen Wohlstandes” für die Heranwachsenden sieht die Psychologin in der „absoluten Reizüberflutung. Sie haben schon alles gehabt, alles probiert, alles gesehen. Daher sind sie übersättigt und fühlen sich mit 17 schon alt.”

Ein Symptom für die Übersättigung der Jugendlichen sei das Experimentieren mit Drogen. „Das betrifft einen viel größeren Kreis als die allgemein bekannte Drogenszene - das spielt sich vielfach so ab, daß sich die Jugendlichen sagen, wir haben ohnehin schon alles konsumiert, jetzt probieren wir eben etwas eues, nämlich Drogen. Und das betrifft alle gesellschaftlichen Gruppen.”

Am schwersten für Trachtenberg wiegt allerdings der „Verlust an Autoritäten”: die Eltern würden eben als

„Kumpel” aber nicht als Vorbild angesehen und auch die traditionellen Institutionen - Schule, Kirche, Politik - hätten diesbezüglich versagt.

Sichtbar werde der Autoritätsverlust etwa durch das Interesse der Jugendlichen für rechtsextreme Gruppierungen oder Esoterik: „Wenn die traditionellen Führerschaften versagen, ist es für andere leicht, in dieses Vakuum einzudringen.”

Patentrezepte, wie dieses Manko an Autorität behoben werden könnte, gebe es keine, meint die Psychologin: ,Am leichtesten hätte es noch die Schule - die Jugend hat das Leistungsprinzip akzeptiert und weiß, daß nur eine gute Ausbildung ihnen auch einen guten Job ermöglicht.” Eine andere Möglichkeit wäre das Gemeinschaftserlebnis in Jugendgruppen: „Es war in allen Gesprächen nicht möglich, eine positive Einstellung zur Religion herauszufinden. Diejenigen, die in die Kirche gehen, machen das wegen einer Jugendgruppe, weil sie das Ge-meinschaftserlebnis suchen, aber nicht wegen der Religion an und für sich.”

Geld und Familie

Wofür können sich nun die 16- bis 18jährigen erwärmen? Laut Studie sind es in erster Linie materielle Werte. Trachtenberg: „In jeder Gesprächsrunde wurde auch gefragt, wie sich die Jugendlichen ihr Leben in zehn Jahren erträumen. In den meisten Fällen lautete die Antwort: ,Ich will genügend Geld haben'.” An zweiter Stelle stehe allerdings bereits der Wunsch nach einer Familie mit vielen Kindern. Auch das Bedürfnis nach einem eigenen Haus habe einen hohen Stellenwert.

Für Trachtenberg ist die Sehnsucht der Jugend nach häuslichen Werten leicht erklärbar: „Die im Beruf so erfolgreiche Elterngeneration hat zu Hause versagt: Geschiedene Ehen, zersplitterte Familien waren der Preis für den Erfolg. Daher auch das Bedürfnis nach Geborgenheit in der Familie. Es würde mich nicht wundem, wenn in ein paar Jahren ein neuer Babyboom ausbricht.”

Allzu optimistisch sieht die Psychologin die Zukunft der jetzigen „Future Youth” freilich nicht: „Sie haben es in Ermangelung an Reibebäumen nicht gelernt, mit Problemen fertig zu werden. Wenn es auf einmal Schwierigkeiten gibt - etwa wirtschaftlich oder politisch - ist diese Generation dann wahrscheinlich überfordert. Psychologisch bedeutet das, sie stekken in einer Krise. Es wäre daher leicht möglich, daß sie dann mit 30 die Revolution nachholen, die sie mit 17 versäumt haben.”

Neue Werbestrategien

Für die Werbeindustrie prophezeit die Jugendstudie „schwere Zeiten”-denn die bisher verfolgte Strategie, mit Prominenten für Jugendliche” Produkte zu werben, könnte bei einer „Jugend ohne Idole” danebengehen. Die Ratschläge von „Team/BBDO” für künftige jugendorientierte Kommunikationsstrategien klingen zwar zynisch, sind gerade deshalb emstzunehmen:

□ Erheben Sie Führungsanspruch, denn die Jugend ist fantasielos und sucht emotionelle Visionen.

□ Füllen Sie das emotionelle Vakuum. Musik und Humor sind die wichtigsten Stimuli.

□ Benutzen Sie das totale Marketing-Mix und werfen Sie die Netze weit aus, denn die Gruppe hat einen weitgefächerten, vielseitigen Geschmack.

□ Verlassen Sie sich nicht auf die amerikanische Erbschaft Ihrer Marke. Denn die Jugend bekennt sich stark zu den Wurzeln des eigenen Landes.

□ Die erfolgreichste Kommunikation ist vielfältig - aber überschaubar.

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